Linker Infoladen in Hamburg ausgespäht: Das Auge der Colaflasche
Ein linkes Wohnprojekt und ein Infoladen im Schanzenviertel wurden von einem Altenheim aus überwacht – laut Heimleiter durch die Polizei.
„Wir haben den Eindruck, dass bis in die Privaträume an der Vorderseite des Hauses hineingeschaut werden kann“, sagt eine Bewohnerin, „das macht schon was mit einem.“ Eine Sprecherin des Schwarzmarkts vermutet: „Jede und jeder, der uns besuchte, dürfte erfasst sein.“
Am Mittwochvormittag suchten AnwohnerInnen das Gespräch mit der Leitung des Alten- und Pflegeheims. „Wir wünschen uns eigentlich ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis“, sagte ein Bewohner davor. Drei AnwohnerInnen und zwei Anwälte konfrontierten den Heimleiter Hans-Jürgen Wilhelm mit der offensichtlichen Beobachtung des Projekts mit dem ansässigen Verein.
„Die Polizei hatte wegen der Drogenproblematik im Schanzenpark angefragt“, sagt Wilhelm nach dem Gespräch der taz. Darum habe die Leitung des Altenheims auch nichts gegen die Installierung gehabt. Von der Polizei sei regelmäßig ein IT-Fachmann zur Wartung gekommen. Am Empfang habe er sich immer vorgestellt. Dass die Kamera aber auf das Haus gerichtet sei, will die Heimleitung nicht gewusst haben.
Der Heimleiter will die Kamera abbauen
Am Telefon sagt Wilhelm hörbar angefasst, er wolle nicht dazu beitragen, dass die Anwohner observiert würden. „Ich bin da jetzt mit der Polizei im Gespräch“, sagt er und bittet, weitere Fragen nicht beantworten zu müssen.
„Die Betroffenheit nehmen wir der Heimleitung schon ab“, sagt ein Wohnprojekt-Bewohner, der bei dem Gespräch dabei war. „Herr Wilhelm sagte uns, dass er die Observation des Hauses nicht richtig fände und versprach uns, die Anlage selbst abzubauen, wenn die Polizei sie binnen zwei bis drei Tagen nicht eigenständig abbauen würde“, so der Bewohner.
Unproblematisch findet eine Bewohnerin das Verhalten der Heimleitung trotzdem nicht: Im Schanzenpark, der am hinteren Teil und an einer Seite des Heimgeländes angrenzt, würde zwar gedealt, nicht aber sichtbar am Haupteingang zur Straße hin. Die Observationsmaßnahme halte sie auch im Rahmen der sogenannten Drogenproblematik für mehr als fragwürdig.
Diese Maßnahme dürfte jeglicher Rechtsgrundlage entbehren, sagt Gerrit Onken, einer der Anwälte der BewohnerInnen. Denn alle benachbarten AnwohnerInnen und zufällig vorbeigehenden PassantInnen würden erfasst. „Wir haben natürlich überlegt wie wir mit dem Wissen um die Kamera umgehen sollen. Müssen alle Besucher und Freunde informiert werden?“, fragt eine Bewohnerin, deren Zimmer nach vorn direkt im Aufnahmefeld liegt.
„Unseren Alltag hat das selbstredend verändert. Ich weiß, dass ich in meinem privaten Bereich, in meinem Zimmer offensichtlich beobachtet werde. Die Tatsache, dass eine Frau vermutlich von Männern permanent beobachtet wird, verschärft die Situation noch zusätzlich.“ Sich vorzustellen, dass jemand der „uns politisch nicht wohlgesonnen ist, meinen Alltag verfolgt“ sei schon „hart“. Gardine zuziehen beim Raumbetreten sei nun auch „nicht gerade schön“.
Polizei antwortet nicht, Verfassungsschutz reagiert nicht
Die Hamburger Polizei möchte sich zu der Observierung nicht äußern. „Vielen Dank für Ihre E-Mail“, schreibt ein Pressesprecher, „allerdings beantworten wir entsprechende Fragen aus grundsätzlichen Erwägungen generell nicht.“ Die Rechtsgrundlage bleibt somit unklar, auch wann die Kamera installiert wurde und ob die Heimleitung getäuscht wurde. Eine Anfrage an den Verfassungsschutz blieb bis Redaktionsschluss gänzlich unbeantwortet.
Durch einen Hinweis hatte das Projekt von der Observation erfahren. Im Heim scheint sie ein offenes Geheimnis gewesen zu sein. An dem Fenster mit den Flaschen liegt ein Zettel. „Fenster bitte geschlossen halten, bitte nichts umstellen“.
Den Abbau der Kamera fordert Christiane Schneider. Die innenpolitische Sprecherin der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert aber auch Aufklärung. „Wenn Privatwohnungen und der Zugang zu ihnen aus Privatwohnungen oder Wohneinrichtungen heraus mit einer verdeckten Videokamera überwacht werden – oder auch nur überwacht werden können –, ist das hochproblematisch“, so Schneider.
Ein solcher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zahlreicher Menschen dürfe sich nicht etablieren. Diese „düstere Angelegenheit“ müsste von den verantwortlichen Behörden schnell und lückenlos aufgeklärt werden.
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