Linken-Politiker und Castorproteste: Nicht geschottert, dennoch angeklagt
Ob Jan van Aken seine Unterschrift bereut? 2010 gehörte der Bundestagsabgeordnete zu den Unterstützern von „Castor schottern“. Jetzt steht er dafür vor Gericht.
BERLIN taz | Große Töne – und nicht ganz so viel dahinter: Öffentlichkeitswirksam hatte der Bundestagsabgeordnete der Linken, Jan van Aken, im Jahr 2010 seinen Namen für die linksradikale Kampagne „Castor Schottern“ hergegeben.
Wie Hunderte andere Menschen auch kündigte er damals an, er wolle sich während der Castorproteste im November 2010 daran beteiligen, im niedersächsischen Wendland Steine aus dem Gleisbett zu räumen, um den Castortransport aufzuhalten – kurz: „schottern“. Als der Transport dann rollte, war van Aken gar nicht in Deutschland.
Am Dienstag steht er dennoch in Lüneburg vor Gericht – und ist damit der erste von vier Bundestagsabgeordneten, die in den kommenden Wochen ein Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, mit ihrer Unterschrift zu Straftaten aufgerufen zu haben.
Nicht verhandelt wird dabei, ob es sich beim Schottern selbst um eine Straftat handelt, sondern allein, ob die Unterzeichnung des Kampagnentextes bereits strafbar war. Dazu passt, dass die Lüneburger Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Unterzeichner der Kampagne bereits im Oktober 2010 aufgenommen hatte – noch ehe es überhaupt zu Schotteraktionen gekommen war.
Mindestens eine Geldstrafe
Van Aken argumentiert, mit seiner Unterschrift habe er lediglich seinen Willen zur Teilnahme bekundet, nicht aber zu Straftaten aufgerufen. Tatsächlich war die Aktion vom Wortlaut her lediglich als Absichtserklärung formuliert. Van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, hält das Schottern nach wie vor für einen legitimen Akt zivilen Ungehorsams.
Auf milde Richter darf der Bundestagsabgeordnete, der seit seiner Schulzeit im Wendland-Widerstand aktiv ist, allerdings kaum hoffen: Erst Ende März hatte das Oberlandesgericht Celle ein Urteil des Amtsgerichts Lüneburg bestätigt, das die Unterschrift als strafbaren Aufruf zum Schottern eingeordnet hat. Auf van Aken und seine drei Fraktionskollegen Dieter Dehm, Sevim Dagdelen und Inge Höger, die für den 23. April geladen sind, dürften demnach auch Geldstrafen zukommen. Gegen acht weitere FraktionskollegInnen, darunter Sahra Wagenknecht, war das Verfahren eingestellt worden, nachdem diese 500 Euro für einen guten Zweck gespendet hatten.
Dass die Schotterkampagne ein Marketing-Erfolg der Linksradikalen war, kann hingegen schwer bestritten werden. Nachdem die alte Kampagnen-Homepage unter www.castor-schottern.org aus rechtlichen Gründen geräumt werden musste, sicherte sich ein Münchner Unternehmen für Onlinemarketing die Webadresse. Heute stellt „Admin“ auf der Seite langweilige Texte zu Ökostrom, Energiesparen und torffreier Kokoserde ein. Aber das verfolgt natürlich kein Staatsanwalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern