Linke schafft Wiedereinzug in Hamburg: Die große Erleichterung
Euphorisch reagiert die Bundesspitze der Linkspartei auf den Wiedereinzug in die Hamburger Bürgerschaft. Ein Scheitern wäre einer Katastrophe gleich gekommen.
BERLIN taz | Der erste Applaus der GenossInnen der Linkspartei in der Berliner Parteizentrale brandete auf als um 18 Uhr die 20,5 Prozent für die CDU auf der Leinwand erschienen. Der zweite wenige Sekunden später. Mit langanhaltendem Beifall und großer Erleichterung in den Gesichtern reagierten die rund 100 Anhänger der Linkspartei auf die 7 Prozent, die ihnen das ZDF prognostizierte.
Die Linkspartei ist mit einem blauen Auge davongekommen, auch wenn die Hochrechnungen im Laufe des Abends das Ergebnis etwas nach unten korrigierten. Vor der Wahl in Hamburg war die Nervosität in der Bundesspitze groß. Ein Scheitern in der Hansestadt käme einer "Katastrophe" gleich, so führende Genossen. Erstmals seit Gründung der Partei 2007 wäre man aus einem Parlament geflogen. Eine Sogwirkung für die restlichen Landtagswahlen des Jahres wurde befürchtet und ein erneutes Aufflammen der Personaldebatte um die unglücklich agierenden Parteichefs Klaus Ernst und Gesine Lötzsch.
All das war am Sonntagabend vergessen. Selten hatte man Klaus Ernst in den vergangenen Wochen derart euphorisch erlebt wie wenige Minuten nach der ersten Prognose. Unter Jubel der GenossInnen marschierte er mit Co-Chefin Lötzsch und den beiden Bundessgeschäftsführern in den Rosa-Luxemburg-Saal. Vorgesehen war das nicht. Die ersten Zahlen schienen also auch für die Parteispitze eine Überraschung zu sein.
Vorläufiges amtliches Teilergebnis (nur Auszählung der Zweitstimmen):
SPD: 48,3% (2008: 34,1%)
CDU: 21,9% (42,6%)
GAL: 11,2% (9,6%)
Linke: 6,4% (6,4%)
FDP: 6,6% (4,8%)
Andere: 5,6%
Ernst feuerte seine ParteigenossInnen an, jubelte und klatschte frenetisch. "Wir wurden in den letzten Monaten runtergeschrieben. Jetzt hat sich gezeigt, dass nicht entscheidend ist, was die Journalisten über uns schreiben, sondern wie wir mit Sachthemen nach vorne gehen", sagte er.
Fraktionschef Gregor Gysi sah seine Partei vor wenigen Wochen noch in einer tiefen Delle. Am Rande der Wahlparty sagte er der taz: "Diese Delle ist überwunden. Jetzt können wir optimistisch in die nächsten Landtagswahlen gehen". Er sei froh, dass sein "Plan B nicht zum Zuge kommen muss". Wie dieser ausgesehen hätte, ließ er offen.
Auch Gesine Lötzsch wirkte erleichert. Ihre Kommunismus-Äußerungen ließen die Hamburger WahlkämpferInnen in den letzten Wochen vor der Wahl zittern. Die Umfragewerte stürzen von 7 bis 9 auf knapp über 5 Prozent ab. Jetzt schickte Lötzsch ihre Glückwunsche bewusst zurückhaltend in den Norden. "Wir haben allen Grund zur Freude", sagte sie und meinte damit auch und besonders sich selbst.
Über das gemessen am bundesweiten Höhenflug verhältnismäßig schlechte Ergebnis der Grünen freute sich der Bundestagsabgeordnete Jan Korte kurz nach der ersten Prognose. Als "ein verdientes Ergebnis" bezeichnete er die erste Zahl von elf Prozent. Das Ergebnis seiner eigenen Partei kommentierte er mit den Worten: "Es gibt jetzt ein flügelübergreifendes Aufatmen".
Zwar weiß man in der Partei, dass Lötzsch und Ernst nur noch Vorsitzende auf Abruf sind und aller Voraussicht nach 2012 nicht erneut kandidieren werden. Eine kurzfristige Personaldebatte scheint mit dem Hamburger Ergebnis aber vorerst verschoben.
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