: Linke Knete für unten
„Netzwerk Selbsthilfe“ feiert seinen 15jährigen Geburtstag / Dem „Totalverlust an Utopie“ soll mit Schwerpunktförderung begegnet werden ■ Von Uwe Rada
Mit den Geburtstagen ist das so eine Sache, zumal bei Projekten aus der Alternativszene. Die einen feiern ihren Untergang, andere ihre Etabliertheit und dritte wiederum, die „so bleiben wie sie sind“, drohen von den einstigen Mitstreitern unter der Kategorie „Kurioses“ verbucht zu werden. Nicht so „Netzwerk Selbsthilfe“, die selbstbestimmte Sparkasse aus dem Mehringhof: „Zwar haben wir mit einem Totalverlust an Utopie für eine linke und alternative Bewegung zu kämpfen“, meint Netzwerk-Mitbegründer Klaus Werner, doch das Anliegen von Netzwerk, die Förderung und Unterstützung selbstverwalteter Projekte und Initiativen sei trotz der derzeitigen Misere nach wie vor aktuell.
Die Liste der Förderungen auch der letzten Jahre liest sich in der Tat wie eine alternative Erfolgsbilanz zum fünfzehnjährigen Jubiläum: Fast fünf Millionen Mark wurden seit der Gründung 1978 als Darlehen oder Zuschüsse vergeben, und auch in diesem Jahr wurden bereits 49 Projekte mit 140.000 Mark unterstützt.
Neben den vielen Einzelförderungen für Straßenfeste, Plakate, Stadtteilgruppen oder Ausstellungen gab es immer auch Schwerpunkte. So stand das Jahr 1986 ganz im Zeichen des Reaktor- GAUs in Tschernobyl. Es war das Netzwerk, das der unabhängigen Strahlenmeßstelle ermöglichte, ihre Arbeit aufzunehmen. Ein Jahr später stand der Volkszählungsboykott im Mittelpunkt und 1988 die Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in West- Berlin. „Genauso wichtig“, sagt Gundel Köpke, „ist allerdings die alltägliche Arbeit, der Versuch eine Kultur und Politik von unten zu unterstützen.“
Was 1978 am Küchentisch mit der Idee einer Versicherung gegen Berufsverbote begonnen hat, entwickelte sich schnell zu einer wichtigen Institution für die politische Szene West-Berlins. Das Prinzip ist so einfach wie freiwillig: Die Netzwerk-Mitglieder spenden Geld, und Netzwerk, das rasende Sparschwein, verteilt es. Insbesondere die Anschubfinanzierung für selbstverwaltete Betriebe und Projekte, darunter etwa „Ökotopia“ oder das „Feministische Frauen- Bildungs- und Informationszentrum“ (FFBIZ) standen zu Anfang im Vordergrund.
Mit dem Häuserkampf zu Beginn der Achtziger radikalisierte sich dann auch Netzwerk. Man gab Geld für die Winterfestmachung und betrieb mit der Gründung von „Netzbau“ den Versuch einer treuhänderischen Sanierung. Doch der Versuch einer „Alternative zur kapitalistischen Ökonomie“ verlief nicht immer reibungslos. Nach den Räumungen 1982 sah Netzwerk die Sanierungspolitik vom Senat torpediert und man trennte sich von Netzbau, das nun als Stattbau fortan den Eiertanz zwischen Senatsgeldern und selbstbestimmtem Wohnen fortsetzte. Die erste Spaltung gab es bereits im Jahr zuvor: Der Streit um einen Frauenbeirat und eine Frauenquote führte dazu, daß sich mit „Goldrausch“ ein eigenes Frauennetzwerk gründete. Heute ist der Streit vergessen, die Zusammenarbeit klappt, nicht zuletzt, weil mit dem Eintritt vieler Frauen in den Verein 1985 eine gewisse „Feminisierung“ bei Netzwerk stattgefunden habe.
Daß es Netzwerk noch gibt, ist für die MacherInnen ebenso ein Erfolg wie die Tatsache, daß man immer noch auf Spenden von rund 1.500 Mitgliedern zählen kann. Zu den neuen Initiativen, mit denen der nunmehr fünfzehn Jahre alt gewordene Verein politisch Druck machen will, gehört unter anderem die Initiative „Betriebe gegen rechts“. Die nämlich sollen, so der Gedanke, vor allem für alleinstehende und minderjährige Flüchtlingskinder einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen. „Wenn ein Kaninchenzüchterverein vom Senat eine Unterstützung bekommt“, meint Klaus Werner, „ist das ein Fall für die ,Abendschau‘. Aber auch die Arbeit von Netzwerk müsse wieder verstärkt der Öffentlichkeit präsentiert werden, nicht zuletzt, um neue Mitglieder zu gewinnen.
Das Fest zum Geburtstag findet heute um 20 Uhr im ehemaligen Kaufhaus Kato im U-Bahnhof Schlesisches Tor statt. Ebenfalls im Kato sind bis 10. November noch eine Ausstellung zur Geschichte von Netzwerk sowie mehrere Videos unter anderem zum Häuserkampf, zur Volkszählung und zum IWF zu sehen.
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