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Liebessucht und Todesgier

■ Zweite Schauspiel-Premiere im Bremer Theater: Roland Schäfer inszeniert Ödön von Horvaths „Don Juan kommt aus dem Krieg“

Was fehlt an diesem Don Juan ist das Gefühl der Nähe. Aus dem Krieg kommt er, verletzt, in Sehnsucht nach Ihr, der Einstgeliebten, Verlassenen. Fieber befällt ihn, das Herz wird krank, Todesnähe. Er trifft Frauen, Alleingelassene. Die erinnern sich an Ihn, in ihnen erinnert er Sie, die Geliebte, von der seine Briefe keine Antwort erhalten. Also wird er, was er war, Don Juan. Projektionsspiegel der Frauen. Erst unter ihren Blicken wird er Juan, wie ein Spiegel kalt, elegante Oberfläche. An ihn heften die Frauen das Herz, die Blicke brechen sich, zerbrechen. In seinem Herzen ist Don Juan immer schon anderswo, bei seinem Ideal, dem Bild der Geliebten. Wenn die Sehnsucht nach dem Tode die Kehrseite des Verlangens nach absoluter Liebe ist, strandet Don Juan folgerichtig am Grab der Gesuchten, und dortselbst wird er sterben, im Schnee.

Roland Schäfer, der Schauspieler und Regisseur, spielt gekonnt. Gekonntes Leid, präzis abgemessene Eleganz. Fällt er aus der Reserve, so scheint die Wut, die Traurigkeit vergeblich. Da spricht mehr die Figur trauriger Verzweiflung, als die Empfindung selbst. Das Frauen-Ensemble, auf Eis gelegtes kräftiges Temperament. Mädchen, Mütter, Nutten, Matronen, Vamps - die kommen aus einer wahr erdichteten Vergangenheit (Maria Alten als Großmutter ist besonders zu erwähnen). Einsame Frauen, denen Juan ein Symbol ist, und die er darum enttäuschen muß.

Seine introvertierte Passion ist grausam, aber er ist illusionslos an seinen Gespielinnen, täuschen kann er nicht, das sieht man. Sie die Schaupielerinnen, und er, Roland Schäfer, sind präsent, aber nah sind sie nie. Anteilnahme, Mitleiden, Identifikation, Begriffe von denen hier keine Rede sein kann.

Die kalte, eher bittere Ästhetik dieser Inszenierung, die augenblicksweise haarscharf den Kitsch streift, mag nach dem Geschmack eines Dandys sein, der sich dem Weiterträumen einer Skizze ergibt. Man hätte sich gewünscht, den Verfall des Helden intensiver zu erleben. Eine Nuance mehr vielleicht an Leibhaftigkeit auf Kosten der Virtuosität, und die Tragik der allegorischen Reise hätte in den Zuschauer dringen mögen. Die Geschichte sprang nicht über den Rand der Rampe, ein optischer, leise die Nachdenklichkeit anregender Genuß blieb nicht verwehrt, aber mehr?

Es ließ sich zuschauen, den flüchtigen, exquisiten Bildern (Florian Parbs), die rasch und leicht im Fastdunkel der Bühne wechselten zwischen Hospital, Salon, Bürgerwohnung, Dachkammer und Friedhof, karg aber edel von Arrangement, aus den Seitenbühnen vom Abbruchstein des vergangenen Krieges geflutet.

Aber da war auch ein Film, der wurde gezeigt im Stück, ein Spot, gut gedreht auf entrollter Leinwand. Wir sind im Kino, unvermittelt. Das Publikum gerät in Bewegung. Wir sehen darin die abgelegten Geliebten versammelt. Ihr Thema: Don Juan. Der ist abwesend, doch gibt es eine Filmspule (Don Juan wurde durch Protektion Filmstar). Die kandidelten Weibchen legen sie ein. Magische Präsenz des Kinos im Theater. Im Film im Film im Theater sehen wir Don Juan: Ewig zuspätkommend tritt er in eine Theaterloge, nimmt zwischen zwei Frauen Platz. Dann Großaufnahme. Kühler, trauriger Don Juan als Fläche. Daneben, vor der Leinwand, der kleine, dreidimensionale Mensch, der Schauspieler aufgehoben in einem Abbild.

Was der Inszenierung an Intensität gebricht, mag wohl unter anderem an der Doppelbeschäftigung Schäfers als Regisseur und Schauspieler liegen, mehr steht zu hoffen. Wolfgang Pannek

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