: „Liebe taz...“ Multikulti fängt da an, wo Kriminalität von Ausländern so normal ist wie die von Deutschen
Betr.: „Sind wir überfordert? Beim Libanon fängt Multikulti an“, taz vom 20.4.
Eine Schwalbe von Andreas Möller macht noch keinen Sommer. Und die Entchen der taz schwimmen weiter ruhig auf dem Werdersee. Gut, die taz weiß also nicht, daß in Bremen sehr viel für libanesische Flüchtlingsjugendliche getan wird. Einiges mit – angesichts der Probleme – beträchtlichem Erfolg. Sie weiß auch nicht, daß Sozialressort, Ausländerintegrationsressort, Ortsamt, Beirat, Schulen im Stadtteil und vor allem Solidarische Hilfe und Johanniter-Unfall-Hilfe sich gemeinsam intensiv um die betreffende Gruppe kümmern. Finanziell, strukturell und mit viel zusätzlichem Engagement wurden regelmäßig Gruppentreffs, Elterngruppen, Kinderbetreuung, Sprachkurse, Sportangebote etc. aufgebaut (siehe den lesenswerten Jahresbericht der Solidarischen Hilfe „Soziale Gruppenarbeit mit Flüchtlingskindern und deren Familien in Obervieland/Kattenturm“). Die Solidarische Hilfe als Träger hat – auch ein Glücksfall – mit dem palästinensischen Mitarbeiter Mounir El-Serri einen Kollegen vor Ort, der große Akzeptanz bei der Gruppe hat.
Auf allen Schultern vor Ort ruht viel Verantwortung. Viele Probleme bleiben. Im Rahmen des Möglichen konnte aber auch erstaunlich viel bewegt werden. All das hätte man eigentlich – da es nicht geheim ist – erfahren, berichten und gegebenenfalls auch kritisieren (?) können.
Da die taz das nicht weiß und deswegen eine andere Story schreibt, ist aber nicht das Bemerkenswerteste. Für mich das Bemerkenswerteste ist, daß im Kommentar von Klaus Wolschner implizit und explizit gesagt wird, Behörden könnten absolut verhindern, daß Einzelne straffällig werden. Klar, Behörden haben die Pflicht, alles zu tun, was im Sinne der Prävention in ihrer Macht steht. Aber in einer Gesellschaft, wo Behörden zu 100 Prozent Kriminalität und andere Regelverletzungen verhindern könnten, in so einer Gesellschaft wollen wahrscheinlich weder taz-Redakteure, noch sonst jemand in Bremen leben.
Bremen ist nicht Singapur, wo selbst das Kaugummikauen polizeilich überwacht wird. Deshalb, liebe taz, Multikulti fängt genau da an, wo wir uns daran gewöhnt haben, daß auch Kriminalität, auch Regelverletzungen, von MigrantInnen genauso „normal“ sind wie die von Deutschen.
Wichtig dabei ist, daß Ausländer und Deutsche, die auf diese Bahn geraten, aufgefangen werden und daß Angebote zur Prävention da sind. Wichtig ist vor allem, daß unser Kampf gegen Diskriminierung im Arbeits- und Ausbildungssektor weitergeht, bis auch hier mulitkulturelle „Normalität“ endlich rechtlich anerkannt wird. Ich habe den Verdacht, daß wir im Prinzip bei fast allen diesen Punkten der gleichen Meinung sind. Warum dann einen Kommertar, der in fahrlässiger Weise Mißverständnissen Tür und Tor öffnet? Matthias Güldner, Referatsleiter Ausländerinte gra - tion beim Senator für Kultur und Ausländerintegration
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