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Lichtungen im Dickicht der Kataloge

Preisvergleiche per Knopfdruck: Die Stiftung Warentest will mit ihrem Computerservice den Markt für Flugpauschalreisen transparenter machen. Die Verbraucher finden das prima, die Reiseveranstalter legen sich quer  ■ Von Jens Uwe Parkitny

Undurchdringlich und kaum durchschaubar: Preistabellen in Reisekatalogen sind der reinste Dschungel. Mit einem neuen Computerservice will die Stiftung Warentest Licht in das Informationsdickicht der Hochglanzbroschüren bringen. Grundlage ist eine Datenbank, in der 1.299 Urlaubsziele aus aller Welt mit 26.000 Hotels und Pensionen gespeichert sind. Die Marktbeobachter aus Berlin mußten dafür mehr als 200 Kataloge wälzen. Was sie dabei zutage förderten, klingt haarsträubend: Selbst für Experten sind die Preistabellen kaum verständlich. „Wer zum notwendigen Durchblick ein Reisebüro zu Rate zieht, um herauszufinden, was das günstigste Angebot ist, zahlt oft drauf“, so ein weiteres Fazit der Stiftung auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin.

Die Tester stützen sich dabei auf Reisebüro-Befragungen des ZDF- Wirtschaftsmagazins „Wiso“ und auf Umfrageergebnisse der Fachzeitschrift FVW International. Danach versucht jede zweite Agentur, ihre KundInnen über den Beratungstisch zu ziehen und bei den Veranstaltern einzubuchen, die die höchsten Provisionen zahlen.

In der März-Ausgabe des test- Hefts der Stiftung Warentest werden Preise von 31 Hotels aus aktuellen Sommerkatalogen verglichen. Das Ergebnis: Bis zu 827 Mark können Verbraucher bei fast identischen Flugpauschalreisen im Mittelmeerraum sparen, wenn sie sich die Mühe machen, die Angaben der Veranstalter gegenüberzustellen. Ein aberwitziges Puzzle.

Hans-Dieter Lösenbeck von Stiftung Warentest hegt den Verdacht, daß dem Kunden durch das Tabellen-Wirrwarr ein Vergleich der Angebote möglichst schwer gemacht werden soll. Für Falk Murko, Redakteur bei test, sind bei Fernreisen sogar Preisunterschiede bis zu 50 Prozent drin. „Dabei handelt es sich um normale Katalogangebote, nicht um ,Schnäppchen‘“, betont Murko.

Touristikunternehmen sind auch kreativ, Informationen vorzuenthalten oder geschickt zu verschleiern. So etwa bei der Beschreibung der Lage eines Hotels: Während es in einem Katalog heißt: „Die hoteleigene Felsenbucht ist über Treppen zu erreichen und für Gehbehinderte nicht geeignet“, formuliert die Konkurrenz für dasselbe Hotel lapidar: „Das Hotel liegt nur wenige Meter vom Sandstrand entfernt.“

Die Tourismusverbände reagieren auf die Aussagen der Stiftung Warentest gereizt. Äpfel würden mit Birnen verglichen, ärgern sich die Branchenverbände, deren Nerven nach der Flugzeugkatastrophe vor der Dominikanischen Republik ohnehin blank liegen. Immer wieder konfrontiert mit dem Vorwurf, daß der ruinöse Preiskampf auf Kosten der Flugsicherheit geführt wird, werfen sie den Verbraucherinstitutionen vor, durch Preisvergleiche den Run auf „dubiose Billiganbieter“ erst richtig anzuheizen.

„Reine Polemik“, kontert Lösenbeck von der Stiftung Warentest: „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß es den billigen oder den teuren Reiseveranstalter nicht gibt!“ Dasselbe Unternehmen, das zu einem bestimmten Zeitpunkt am günstigsten sei, könne sich zu einem anderen Reisedatum als das teuerste erweisen. Als Beispiel nennt er das Hamburger Unternehmem Öger Tours, das im Zusammenhang mit dem Unglück in der Karibik in die Schlagzeilen geriet. Öger sei kein preiswerter Anbieter, sondern liege eher im oberen Bereich.

In einer Diskussionsrunde des Hessischen Rundfunks auf der ITB wehrte sich der Präsident des Deutschen Reisebüroverbandes, Hesselmann, vehement gegen den Vorwurf, daß die Reisebranche zu einer „verantwortungslosen Industrie“ verkommen sei. Er betonte, die Branche setze alles daran, mit den zuständigen Behörden die erreichten Sicherheitsstandards zu erhalten und den erforderlichen gesetzlichen Rahmen zu verbessern. Er beklagte allerdings, daß aufgrund eines Standortnachteils, zum Beispiel bei Personalkosten und Nachtflügen, die deutschen Fluggesellschaften gegenüber den ausländischen Konkurrenten im Nachteil seien.

Der Luftfahrtjournalist Tim van Beveren behauptet in seinem Buch „Runter kommen sie immer“, daß der Wettbewerbsdruck auch renommierte Luftfahrtgesellschaften zwingt, Sicherheitsstandards zu vernachlässigen. Für den Schutz der Verbraucher fordert van Beveren mehr Transparenz über die Sicherheitsmaßnahmen der Airlines, damit diese nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ wieder mit gutem Gefühl in Flugzeuge einsteigen können.

Die Tourismusbranche hält Vergleiche, wie sie die Stiftung Warentest auch für Flugpauschalreisen durchführt, für nicht zulässig. Doch trotz aller Kritik will die Stiftung Warentest an ihrem Kurs, den Reisemarkt transparenter zu machen, festhalten.

Ihr neuer Computerservice liefert per Knopfdruck und gegen einen Obolus von 20 Mark innerhalb einer Woche bis zu zwanzig günstige Angebote für den Sommer ins Haus, sortiert nach dem Preis. In einen Fragebogen trägt der Kunde Abflugzeitraum, Reisedauer, Urlaubsziel, Hotelkategorie, Anzahl der Reisenden sowie die Verpflegungsart ein. In dem von der Stiftung „persönlich erstellten Reisekatalog“ finden sich dann auch Informationen über Unterkunft, Entfernung zum Meer, Transfers und (sofern im Katalog angegeben) auch Fluggesellschaften.

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