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Libanons Christen-Milizen in Alarm

■ In Saudi-Arabien ausgehandelter Friedensplan für den Libanon wurde von Christen abgelehnt Plan würde Hegemonie der Christen beenden / Aoun fordert wieder Abzug vollständigen der Syrer

Beirut (afp/ap) - Der Führer der christlichen Militärregierung Libanons, General Michel Aoun, hat den vom Parlament im saudi-arabischen Taif ausgehandelten Friedensplan abgelehnt und wenige Stunden danach seine Truppen in Alarmbereitschaft versetzt, als „reine Vorsichtsmaßnahme“. Aoun bezeichnete das Dokument als „Verbrechen“, weil es nicht den Abzug aller Syrer festschreibe, und schlug eine Volksabstimmung vor. Auch die Schiiten-Milizen Amal und Hisbollah wiesen den Plan zurück.

Dagegen begrüßte der Chef der von Syrien unterstützten libanesischen Regierung, Salim Hoss, die Annahme des „Dokuments zur nationalen Verständigung“ durch 59 der insgesamt 62 libanesischen Delegierten und rief zu seiner absoluten Respektierung auf. „Wir betrachten dieses Abkommen als Charta über das Ende des zerstörerischen Krieges im Libanon“.

Das libanesische Parlament hatte am Sonntag nach dreiwöchigen Beratungen in Taif mit nur einer Gegenstimme den unter Vermittlung der Arabischen Liga ausgehandelten Friedensplan gebilligt. Danach sollen die syrischen Truppen aus der Innenstadt von Beirut abrücken, die Abgeordneten die Bildung eines neuen Parlaments mit jeweils 54 Sitzen für Christen und Moslems beschließen und dann einen neuen Staatspräsidenten wählen. Wenn die politischen Reformen verabschiedet, das seit 1988 verwaiste Präsidentenamt wieder besetzt und eine Regierung für ganz Libanon gebildet sei, solle eine syrisch-libanesische Kommission über den endgültigen Abzug der Syrer beraten.

Nach Einschätzung politischer Kreise in Beirut könnte sich die ablehnende Haltung General Aouns letztendlich gegen ihn selbst wenden und bisher erreichte Erfolge zunichte machen. Er verstärke den Mythos von der Unmöglichkeit einer Verständigung zwischen den Libanesen. Sie betonten weiterhin, Aouns Haltung könne zu einem Scheitern der Anstrengungen des arabischen Triumvirats (Saudi-Arabien, Marokko, Algerien) führen, dessen Mandat in einem Monat ausläuft. Dadurch erhalte Syrien freie Hand über das Schicksal Libanons.

Das Dokument, das den von Franzosen und Briten bei der Unabhängigkeit Libanons 1943 eingesetzten Nationalen Pakt ersetzen soll, beendet die seit 46 Jahren andauernde Hegemonie der christlichen Maroniten. Die Christen sollen sich fortan die Exekutivgewalt mit den beiden moslemischen Gruppen, Sunniten und Schiiten teilen. Die konfessionelle Grundlage des Systems wird kurzfristig nicht angetastet. Der Staatspräsident, dessen Machtbefugnisse eingeschränkt wurden, soll Maronit bleiben. Die Position des Regierungschefs, den wie bisher die Sunniten stellen sollen, wurde gestärkt. Der Parlamentspräsident soll weiterhin aus den Reihen der Schiiten kommen. Die vierte politische Kraft Libanons, die Drusen, konnten sich mit ihrem Wunsch, einen Senat zu schaffen, nicht durchsetzen.

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