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Li Peng: „Ihr habt harte Arbeit geleistet“

■ Der chinesische Ministerpräsident lobt im Fernsehen die Massaker-Armee / Sieg der Hardliner / Truppen in Peking ausgetauscht? / Unruhe in vielen Provinzstädten / Lage in Peking leicht entspannt / Stadtverwaltung ruft zur Denunziation auf

Peking (dpa/afp/ap/taz) - Und wieder Li Peng! Als erstes Mitglied der chinesischen Führung ist der Ministerpräsident gestern wieder aus dem Untergrund aufgetaucht - um im Fernsehen die Massaker-Armee zu loben. Der Hardliner wurde im hochgeknöpften Mao-Anzug gezeigt, wie er mit kämpferischem Ton den anwesenden Soldaten zurief: „Genossen, ihr habt harte Arbeit geleistet.“

Damit ist der Falke, der das Kriegsrecht verkündet hatte, allem Anschein nach Sieger und starker Mann nach den Unruhen in China. Zumindest die Hauptstadt Peking hatten er und die anderen Verfechter einer orthodox-harten Linie am Donnerstag unter Kontrolle. Damit erhalten auch die Truppenbewegungen der letzten Tage in Peking einen anderen Charakter. Offenbar wurden die Einheiten, die für das Blutbad unter den Studenten und Zivilisten verantwortlich waren, inzwischen abgezogen und durch andere Soldaten ersetzt. Auf eine mögliche Spaltung des Militärs und auf eine offene Konfrontation zwischen einzelnen Truppenteilen lagen jedenfalls keine gesicherten Hinweise vor. Die Lage in Peking hat sich am Donnerstag leicht entspannt, die Stadt steht aber weiter unter militärischer Kontrolle. Aus anderen Teilen des Landes wurden hingegen weiter Demonstrationen und Aktivitäten der GegnerInnen des Regimes gemeldet. Fortsetzung auf Seite 2

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In Peking waren von wichtigen Straßenkreuzungen die Kampfpanzer abgezogen. Soldaten standen am Donnerstag mit Maschinenpistolen im Anschlag weiter auf Straßen und Brücken sowie vor wichtigen Gebäuden. Am Donnerstag morgen waren erneut Hunderte von Militärfahrzeugen eingerollt. Über eine Stunde lang fuhren Lastwagen mit Soldaten und Versorgungsgütern durch die Hauptstadt bis zum Platz des Himmlischen Friedens in der Stadtmitte. Soldaten auf den Ladepritschen der Lastwagen richteten ihre Gewehre auf Passanten und Radfahrer. Es wurde jedoch nicht geschossen.

Auf den Straßen waren dann am Tag deutlich mehr Menschen mit ihren Fahrrädern unterwegs, um einzukaufen. Auch waren wieder einige

Lebensmittelgeschäfte geöffnet, es bildeten sich Schlangen davor. Erstmals seit fünf Tagen verkehrten auch vereinzelt wieder öffentliche Busse. Das Militär räumte zerstörte und ausgebrannte Busse sowie Militärfahrzeuge von den Straßen. Über die vorübergehend sehr angespannte Versorgungslage lagen weiterhin widersprüchliche Berichte vor. Banken und viele andere öffentliche Gebäude blieben zunächst geschlossen, die Mehrzahl der Menschen ging noch nicht zur Arbeit. Viele der noch in Peking verbliebenen Ausländer fuhren zum Flughafen, um Peking zu verlassen. Mehrere Länder schickten Sondermaschinen, um ihre Staatsangehörigen auszufliegen.

Die Pekinger Stadtverwaltung und die Kriegsrechtsverwaltung riefen die Bevölkerung über Rundfunk zur Denunziation auf und verlangten, die „konterrevolutionären Aufrührer“ anzuzeigen. Dafür wurden spe

zielle Telefonnummern genannt. In einer anderen Mitteilung wurden zwei Organisationen, die „Pekinger Union der selbstverwalteten Studenten“ und die „Selbstregierte Union der Arbeiter“, für illegal erklärt. Sie stünden hinter den Unruhen und sollten sich selbst auf lösen.

In zahlreichen Provinzstädten gab es Demonstrationen, Streiks und gewalttätige Ausschreitungen. Bahnlinien wurden blockiert, nach Peking und Schanghai verkehrten keine Züge mehr, der öffentliche Verkehr und die Produktion war teilweise lahmgelegt. Berichte über ein verstärktes Eingreifen des Militärs lagen jedoch nicht vor. In Schanghai, Nanking, Harbin und anderen Großstädten errichteten Hunderttausende von Demonstranten Straßensperren und belagerten Regierungsgebäude. Viele Menschen blieben deswegen ihrer Arbeit fern. In Xian und Chengdu soll es zu

Straßenschlachten gekommen sein, bei denen mehrere Personen getötet und Hunderte von Demonstranten festgenommen wurden.

Bei seinem Auftritt im Fernsehen sagte Ministerpräsident Li Peng: „Ich vertrete die Parteizentrale und den Staatsrat. Wir hoffen, daß ihr euch weiter dafür einsetzt, die Sicherheit und die normale Ordnung der Hauptstadt zu schützen, und dafür entschlossen kämpft.“ Li Peng und dem ihn begleitenden 81jährigen Vizestaatschef Wang Zhen, auch er ein Vertreter der harten konservativen Linie, schlugen in den Fernsehaufnahmen laute Jubel-Slogans und Beifall entgegen. Li Pengs Erscheinen ist nach Ansicht von Beobachtern ein weiteres Zeichen dafür, daß Parteichef Zhao Ziyang Macht und Einfluß verloren hat. Zhao wurde seit fast drei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Sein Schicksal ist ungewiß.

ar

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