: „Lex Rabta“ vor dem Bundestag
18 Monate nach Rabta-Affäre berät Bundestag Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes ■ Aus Basel Thomas Scheuer
Schmuggel sensibler Atomartikel in Länder, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben; Vermittlung von Raketentechnologie an den rüstungsirren Irak; Lieferung brisanter Laboreinrichtungen und Chemikalien für die C-Waffen-Produktion nach Irak und Libyen - damit sollte zukünftig ein für allemal Schluß sein.
Dies versprach die Bundesregierung, nachdem sie sich zum Jahreswechsel 1988/89 mit dem Versuch blamiert hatte, die federführende Beteiligung westdeutscher High-Tech-Söldner an der mysteriösen Chemiefabrik im lbyschen Rabta zu vertuschen. Ein unter internationalem Druck hektisch hervorgezaubertes Gesetzeswerk, wegen des Auslösers allgemein als „Lex Rabta“ oder „Lex Imhausen“ tituliert, sollte unter Androhung hoher Freiheitsstrafen westdeutsche Ingenieure und Kaufleute zukünftig von der Mithilfe an Massenvernichtungswaffen abschrecken sowie die berüchtigten Schlupflöcher im deutschen Außenhandelsrecht wie bei der praktischen Exportkontrolle verstopfen. Die starken Bonner Worte im Januar 1989 sollten die weltweite Empörung dämpfen. Dann wurde es erst einmal still um die neuen Paragraphen.
Fast eineinhalb Jahre später befaßt sich der Bundestag am heutigen Freitag mit dem neuen Paragraphenwerk. Querelen innerhalb der Koalition, Dissens zwischen Opposition und Regierungslager sowie immer neue Rechtsgutachten verschleppten die Behandlung in den Ausschüssen.
Kritiker aus den Reihen der Koalitionsparteien malten naturgemäß Wettbewerbsnachteile für die deutsche Exportbranche an die Wand. Der CDU-Rechtsexperte Heinz -Günther Hüsch bewertete den Erstentwurf seiner Regierung als „unsinnig und verfassungswidrig“. Oppositionspolitiker wie der SPD-Rüstungsexperte Norbert Gansel wiederum kritisierten die Vorlage als „Schaumschlägerei“.
Tatsächlich weist der Gesetzentwurf heikle Definitionsmängel auf: So soll zukünftig die Mitwirkung deutscher Staatsbürger an der Herstellung von chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen auch im Ausland bestraft werden. Eine zunächst begrüßenswerte Neuerung, an deren Beispiel jedoch einige Knackpunkte exemplarisch deutlich werden:
Was genau ist etwa unter Mitwirkung an der Herstellung zu verstehen? Fallen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auch darunter oder nur die tatsächliche Produktion? Macht sich auch ein Mittelsmann strafbar, der das Financing eines C-Waffen-Projektes managt? Oder ein Spediteur, der das Shipping der Bauteile arrangiert? Wird nur die Beteiligung an der Herstellung der chemischen Bomben und Gefechtsköpfe geahndet oder auch die Mitwirkung an den nötigen Trägersystemen, etwa Mittelstreckenraketen, wie sie etwa in Argentinien, Ägypten, Iran und Irak nicht zuletzt dank westdeutschen Know-hows konstruiert werden? Droht deutschen Forschern neuerdings zu Hause Knast, wenn ihre Arbeit an einem Technologiezentrum in den USA dort auch militärisch verwertet wird?
Das federführende Wirtschaftsministerium selbst lamentierte über „große Schwierigkeiten bei einer tatbestandsmäßigen Abgrenzung“ der fraglichen Tätigkeiten. Vor allem aber: Warum wurden ausgerechnet die Atomwaffen so augenfällig ausgeklammert? Gelten die in Bonn nicht mehr als Massenvernichtungswaffen? Die Strahlenlobby könnte vermutlich eine Antwort geben. Das neue Gesetz soll wohl eher ein internationales Signal setzen, als die Lücken des bundesdeutschen Exportrechts effektiv und nachhaltig zu schließen.
Als ob die ganze Exportproblematik noch einmal lehrbuchmäßig vorgeführt werden sollte, beginnt just in zehn Tagen der Strafprozeß gegen jenen Mann, der Bonn den Ärger mit dem neuen Gesetz eingebrockt hat: Jürgen Hippenstiel -Imhausen, Exchef der Lahrer Firma Imhausen-Chemie. Verhandelt wird die Causa Imhausen/Rabta noch nach dem altem Recht.
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