: Lernen auf Stadtkosten
■ Mehr Lehrstellen in Hamburg als 1997, aber noch 803 Jugendliche unversorgt
Die meisten Hamburger Azubis lernen auf Kosten der Behörden. Im auslaufenden Jahr „haben mehr Jugendliche eine öffentlich finanzierte Ausbildung begonnen als eine Lehre im Betrieb“, sagte gestern Jugendsenatorin Rosemarie Raab (SPD), als sie den „Bericht zur Ausbildungssituation 1998“ vorstellte. Rund 11.980 junge Frauen und Männer besuchen danach berufliche Vollzeitschulen, dazu kommen 900 außerbetriebliche Ausbil-dungsplätze, die von der Stadt und vom Arbeitsamt finanziert werden. Demgegenüber stehen 12.080 betriebliche Lehrstellen.
Das sind immerhin 229 mehr als ein Jahr zuvor. Vor allem die Handelskammer hat fleißig aquiriert und ihr Angebot um 366 auf nun 7443 Ausbildungsplätze gesteigert. Bei der Handwerkskammer sieht die Bilanz nicht so rosig aus: 98 Verträge weniger als im Vorjahr vermeldet der Bericht. „Wir gehen aber davon aus, daß wir ein ausgeglichenes Ergebnis haben werden“, sagte Kammersprecher Horst Storjohann. Schließlich würden immer noch Verträge abgeschlossen.
Momentan sind noch 803 Jugendliche in der Hansestadt auf der Suche nach einer Lehrstelle. Auf 100 Bewerber kamen in diesem Jahr 95 Angebote – 17 zu wenig, wenn es nach dem Bundesverfassungsgericht geht. Das hat Anfang der 80er entschieden, daß auf einem ausgeglichenen Markt 112 Lehrstellen pro Bewerber vorhanden sein müssen, damit Jugendliche Wahlmöglichkeiten haben.
Besonders Mädchen und Jungen mit Haupt- und schlechten Realschulabschlüssen haben es immer schwerer auf dem Ausbildungsmarkt. „Wir haben bundesweit einen Trend zu höher qualifizierten Plätzen“, sagte Raab. „Das beobachten wir mit großer Sorge.“
Hinzu kommt, daß Abiturienten und gute Realaschüler aus dem Umland auf die Lehrstellen in Hamburg drängen. 8874 (26,8 Prozent) aller Azubis kamen 1998 aus dem sogenannten Speckgürtel.
Trotzdem soll „kein Hamburger Jugendlicher auf der Straße stehen“, beteuerte Raab. 1,3 Millionen Mark investierte ihre Behörde 1998 in Programme für lernschwache SchulabgängerInnen; 1999 sollen es 2,3 Millionen sein. juw
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