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Archiv-Artikel

Leitbild Schrumpfende Schule

„Bündnis für Bildung“ nach nur sechs Wochen schwarzer Schulpolitik wiederbelebt. Eltern, Schüler und Lehrerorganisationen von GEW bis Lehrerverband warnen vor großen Klassen und Schulschließungen. Erste Schulbesetzung für Sonntag geplant

von KAIJA KUTTER

Die parteilose Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig ist erst sechs Wochen im Amt, und schon hagelt es Kritik. Kurz nach der Wahl stelle sie „höchst bedenkliche Weichen“, attestierte ihr gestern das „Bündnis für Bildung“. Im Widerspruch zum Programm der Wachsenden Stadt ist bei der Schulentwicklung „schrumpfen angesagt“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Lehrer-, Schüler-, Elternkammer und den beiden Lehrergewerkschaften GEW und DLH – einem Bündnis, das zuletzt vor zwei Jahren bei einer großen Demonstration gegen Bildungsabbau 50.000 Menschen auf die Straße brachte.

Im Mittelpunkt der Schelte stehen die Ankündigung größerer Klassen und die geplanten zwölf Schulschließungen. „Ich bin froh, dass ich jetzt Abitur mache und in den letzten 13 Jahren in Hamburg zur Schule gegangen bin“, erklärt SchülerkammerSprecher Felix Lorenz. Die jüngeren Schüler, die jetzt in größeren Klassen mit verdichtetem Stundenplan das achtjährige Abitur machen, täten ihm dagegen Leid. „Es ist eindeutig nachgewiesen, dass jeder Schüler zusätzlich die Belastung erhöht“, ergänzte DLH-Chef Arno Becker. Äußerungen der Senatorin, man könne gute Schüler auch mal vorzeitig nach Hause schicken, seien „kaum zu glauben“. Und auch Elternkammer-Sprecher Holger Gisch sprach sich vehement gegen größere Klassen aus. Er sieht sich „veräppelt“, weil er die Senatorin im Gespräch eindringlich davor gewarnt hatte, „dieser Rat aber nicht angenommen wird“.

Die Lehrerkammer-Vorsitzende Katrin Blümel erinnerte an einen Brief der Senatorin zu Ostern, in dem sie den Dialog ankündigte, um unter ihren Vorgängern verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. „In der Frage der Schulstandortplanung ist ihr dies leider nicht gelungen“, bilanzierte die Kammer-Vorsitzende. So sei das derzeitige Ad-hoc-Verfahren der Schließungen „unwürdig für die Schulen“. Auch sei nicht vertretbar, dass allein sieben Grundschulen unter den zwölf Standorten seien, und somit 150 bis 180 kleine Kinder bis zu 750 Meter längere Schulwege bekämen.

Blümel kritisierte auch, dass die Senatorin keine der Anregungen des „Runden Tisches“ zum Lehrerarbeitszeitmodell aufgenommen habe: „Ein schlechter Einstieg.“ Zudem würden die Lehrenden „nicht in einen Dialog einbezogen, wie es in der Schulpolitik weitergeht“. So gebe es mit der Sprachförderung oder der Integration in Grundschulen viele offene Fragen.

Das Bündnis will jetzt zunächst beobachten, welche Kürzungen konkret zu den Haushaltsberatungen bekannt werden (siehe Kasten) und danach zu gezielten Protesten aufrufen. Ohnehin im Gange sind zahlreiche Aktivitäten an den von Schließung bedrohten Schulen: Am Sonntag soll das Gymnasium Langenhorn besetzt werden.

Eine „große Aktion“ des Bildungsbündnisses ist laut GEW-Chefin Stephanie Odenwald auch das für den Herbst geplante Volksbegehren gegen die Umwandlung der 48 Berufsschulen in eine Stiftung. Odenwald kritisierte, dass die Senatorin die Option der Stiftung nach wie vor offen hielt. „Es sind in den letzten Wochen viele Ankündigungen aufeinander geprasselt“, bilanzierte die GEW-Vorsitzende, die als Einzige der fünf Bündnisvertreter noch kein Gespräch mit der Senatorin führen konnte.

Dies scheint neuer Stil zu sein. Während die Politikerin beim DLH und bei allen drei Kammern einen Antrittsbesuch machte, blieb der Gesprächswunsch der größten Lehrergewerkschaft bis heute unerfüllt.