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Leistung

De Kandedaten für den Scheff-Posten anne Hamburger Uni warn ja in alle Zeitung' abgebildet und sahn aus wie de Tüpen auffe RAF-Plakate, die inne Jahre gekomm' sind. Also: wahnsinnig sümpathisch. Was se dazu noch habn: Scharisma! Also, die Eigenschaft, die bleibt, wenn man de Fach- und Sachkompetenz vonne betreffende Person abzieht. Sonne Art Ausstrahlung ist das. Jesus und Lenin solln Scharisma gehabt habn, Goebbels auch, aber Herr Diepgen aus Berlin und Herr Scharping ausse Pfalz nicht, Herr Voscherau, naja ... Ein absoluter Scharisma-Hammer ist aber der eine Herr vonne Uni-Kandedaten, ein Juraprofesser mit den Nam' Hein Kötz. Du denkst nu bestimmt auch, wer so ein' sümpathischen Nam' hat, den könn' gar keine Haare auffe Zähne wachsen, aber da hast du dich massiv verschluckt, „denn“, so sagt mein Stammkunde, Zahnarzt Dr. Raffler, „erstens kann Herr Kötz sich sehr gut vorstellen, daß wieder Studiengebühren erhoben werden, zweitens möchte er den Begriff Leistung wieder aktualisieren.“ „LEISTUNG, wenn ich das schon höre“, schüttelt sich nu Sonnenbank-Heinzi, „ich hatte seinerzeit auch so einen sadistischen Pauker, der LEISTUNG forderte. Damit hat er mir die Karriere verdorben. Seinetwegen mußte ich von der Schule abgehen. Es handelte sich um das Albrecht-Thaer-Gymnasium. Wäre er nicht gewesen, säße ich heute da, wo bis vor kurzem Herr Lopez gesessen hat.“ Jetzt holt Jungunternehmer Aschler Luft: „Ich hab auch etwas dagegen, daß so etwas in unsere Gymnasien und Unis einsickert. Hochschullabsolventen, die LEISTUNG bringen! Dann hätten doch die wirklichen Leistungsträger, die Realschulabgänger, gar keine Chance mehr in unserer Wirtschaft!“ Nu haut auch noch die Lürikerin Nele Hütlein, die sich grade aus ihrn Bioladen Ganzkornbrot von gestern gekauft hat, dazwischen: „Ich bin fest davon überzeugt, daß der Professor Kötz ein eingeschleuster Scientologe ist! Daß er Studiengebühren einführen will, läßt ihn im höchsten Grade verdächtig erscheinen! Die Scienties verlangen doch auch Geld für ihre Kurse. Machen ihre Anhänger sogar richtig abhängig: Immer mehr Geld zahlen die für immer weitere Folgekurse, bis sie mit Hunderttausenden von Mark verschuldet sind!“ Nu weiß ja jeder, daß die Hütlein schon seit 20 Jahre Filosofie studiert, aber bloß wegen de studentische Krankenversicherung und wegen de verbilligte HVV-Karte. Aber regt sich über de Knete-Pläne von den Herr Kötz auf! „Ich glaube nicht“, schüttelt nu Studienrat Arnold nachdenklich sein' Kopf, „daß sich die Methoden der Scientologen auf unsere Gymnasien und Hochschulen übertragen lassen, daß Schüler und Studiker FREIWILLIG immer mehr Geld für immer anspruchsvollere Kurse bezahlen würden.“ „Ich habe mir neulich ein Buch aus der esoterischen Buchhandlung geholt“, eifert sich Frau Hütlein wieder ein' ab, „darin stand, daß die Scientologie eine Neuauflage der alten Religion ist, deren Anhänger im Alten Testament das GOLDENE KALB umtanzt haben ...“ „Gottseidank“, lacht Studienrat Arnold, „sieht es da in unseren großen Landeskirchen ja ganz anders aus, die umtanzen wegen höherer staatlicher Zuschüsse höchstens unseren Finanzminister, und der ist beileibe kein Kalb, sondern, um im Bild zu bleiben, bestenfalls ein Ochse, und golden ist er auch nicht ...“ „Stimmt“, sag ich, „soviel Rost, wie der schon angesetzt hat ...“

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