: Leise planschen wieder erlaubt
■ Alsterschwimmhalle läßt „versuchsweise“ länger draußen baden / Anwohner fordern höhere Lärmschutzwand Von Kaija Kutter
Zwei gute Nachrichten: die Temperatur „sinkt“ heute auf 25 Grad, und die Besucher der Alterschwimmhalle dürfen ab sofort 14 Tage lang „versuchsweise“ wieder solange draußen planschen, wie sie wollen. Diese überraschende Wendung nahm gestern der Streit um Schwimmbad-Lärm. Die öffentliche Empörung verwandelte den Anwohnerprotest ausnahmsweise einmal in einen Bumerang.
Auch moralisch sahen sich die Nachbarn der Hamburger Freibäder gestern in der Defensive. Es sei ja wohl unglaublich ungerecht, daß nun ausgerechnet sie als Kinderfeinde dargestellt würden. Schließlich störten die Erwachsenen genauso und machten ebensoviel Lärm beim Planschen. So das Fazit einer Kurzumfrage am Wohnblock Ifflandstraße, der seit 20 Jahren das Flügeldach der Hamburger Alsterschwimmhalle vor der Nase hat und seit 1987 noch ein klitzekleines Außenbecken dazu.
Kurzumfrage ist eigentlich geschönt, denn der taz gelangen gestern mittag nur sehr wenige Gespräche. „Nein, ich rede nicht mit der Presse“, Türen wurden zugeknallt, Türsummer gar nicht erst betätigt, die Fragerin per Gegensprechanlage vom Leib gehalten. Einige Radioreporter waren tags vorher schon dagewesen und hätten einen „sehr mißlichen Bericht“ gebracht, wie ein freundlicher Rentner schließlich erklärt. Er stellt die Einkaufstüten ab, hat ein bißchen Zeit. „Bei mir sind Sie gerade richtig“, sagt er und schielt nach gegenüber zum Wagen von SAT 1.
Das Schwimmbad wird zum Ereignis, die Beschwerdeführer zu relevanten Zeitzeugen. Doch wie diesen Betroffenen gerecht werden, wo die Aussicht, daß in der Saunastadt Hamburg ausgerechnet Schwimmbadzeiten gekürzt werden, nicht nur die Volksseele zum kochen bringt?
Das Außenbad der Alsterschwimmhalle durfte seit 1990 am Abend und am Sonntag nachmittag nicht benutzt werden. Es sei zu befürchten, daß zwei weitere Bäder mit Limitierungen rechnen müssen, hatte die Wasserwerke-Sprecherin Gisela Matthee am Wochenende verbreitet. Eben jene Bäder, deren Öffnungszeit mit Rücksicht auf die Hitze auf 21 Uhr 30 verlängert wurden. Die Orte würden nicht genannt, „um die Stimmung nicht zum Überkochen zu bringen“.
In der Ifflandstraße sieht man das ganz anders. Den Anwohnern reicht die jetzige Limitierung nicht mal aus, sie fordern eine noch höhere Wand, so wie es die Wasserwerke vor fünf Jahren schon versprochen hätten, als sich die Anwohner in der nahegelegenen Turnhalle zum Protest formierten.
„Es ist gar nicht witzig, wenn es sich so anhört, als ob man mitten im Freibad sitzt“, empört sich eine frisch zugezogene Anwohnerin. Gerade nachts nämlich werde das Becken geentert, „das hallt dann fürchterlich, der Lärm“.
Eine Hausfrau schließlich gestattet eine Hörprobe auf dem Balkon. Nur vereinzelte helle Kinderstimmen mischen sich mit dem Brummen der Lkws auf der Sechslingspforte. Weil das Thema Schlagzeilen macht, würden die Bademeister besonders achtsam sein, wird die Ruhe erklärt.
Ginge es nach der Hausfrau, so hätte das Außenbecken gar nicht erst genehmigt werden dürfen. In der Nähe eines alten Freibads zu wohnen, wäre etwas anderes: „Da weiß man ja, daß es Lärm gibt. Und außerdem ist es den Winter über dicht.“ Aber so. Die Nachbarin vom dritten Stock kann gar reingucken, in das Becken. „Wenn man ins Wasser geht und sich naßspritzt, da schreit man nun mal laut.“
Kinderlärm an einer der vielbefahrensten Straßen der Stadt. Auch der Straßenlärm stört die Frau auf dem Balkon. Aber: „Mit dem Autoverkehr müssen wir leben. Gegen das Becken können wir was tun“.
Der 14tägige „Versuch“, in den das Bezirksamt Mitte gestern überraschend einwilligte, unterliegt einer Bedingung: die Kids müssen leise planschen. Der Lärm, so Gisela Matthee, dürfe 55 Dezibel nicht überschreiten. Zum Vergleich: Der Autoverkehr auf der Sechslings–pforte verursacht 62 bis 78 Dezibel. Ein Kinderschrei kann bis zu 90 Dezibel haben.
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