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Leipzig ist als Erster am Netz

In der Messestadt eröffnet heute die erste deutsche Strombörse. Der künftigen Konkurrenz aus Frankfurt/Main blickt man gelassen entgegen: Schließlich hat man sich mit dem norwegischen Großaktionär Nord Pool Geld und Know-how besorgt

von NICK REIMER

Das Schöne an der Geschichte von Hase und Igel ist, dass der mit den kürzeren Beinen immer schon da ist. Ähnlich versucht es jetzt LPX. Die „Leipzig Power Exchange“, die heute in Leipzig ans Netz geht, ist die erste deutsche Strombörse. Welche Rolle die Leipziger künftig spielen, scheint klar. Weil sich im Sommer letzten Jahres die Mehrzahl der Stromkonzerne und ihrer Großkunden für Frankfurt/Main als Sitz der deutschen Strombörse aussprachen, steht der Versuch auf kurzen Beinen. Andere Mitbewerber wie Hamburg oder Düsseldorf zogen nach dem Votum der mächtigen Energiewirtschaft lieber gleich ihre Bewerbung zurück. In Deutschland, so ihre Begründung, ist nur Platz für eine Strombörse.

Anders die Leipziger. Nachdem sich im Probebetrieb in der vergangenen Woche bei einigen der 30 teilnehmenden Unternehmen technische Probleme offenbart haben, rechnet LPX-Geschäftsführer Carlhans Uhle zum heutigen Start mit zehn bis 15 Kunden. In zwei bis drei Jahren will die LPX rentabel arbeiten, spätestens 2004 sollen hier 100 Milliarden Kilowattstunden abgewickelt werden – 20 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland.

Ehrgeizige Pläne. Im August nämlich geht die European Energy Exchange (EEX), wie sich die Frankfurter Strombörse nennt, an den Start. Schon heute kann EEX-Vorstand Chistian Geyer auf 24 fest gebundene Kunden verweisen. Und anders als in Leipzig sind hier große deutsche Stromerzeuger und Stadtwerke als Anteilseigner eingestiegen, die ihr Geschäft natürlich auch über „ihre“ Börse abgewickelt sehen wollen. Die EEX-Beine sind also sehr lang.

Den Leipzigern bleibt daher nur eine Igel-Hoffnung. 13 Millionen Mark investierten ihre Träger – neben der Landesbank Sachsen und der Bankgesellschaft Berlin gehören dazu auch die Länder Thüringen, Sachsen und die Stadt Leipzig. Größter Anteilseigner ist aber die skandinavische Strombörse Nord Pool (35 Prozent), die sich seit ihrem Start 1993 als erfolgreichste Strombörse der Welt etablierte. Neben Geld und Know-how schickten die Norweger auch ihren Manager Kjetil Knutsson, der wie Uhle Geschäftsführer ist.

Uhle sieht in dieser Beteiligung den entscheidenden Leipziger Vorteil: „Wir verstehen von diesen Dingen mehr und sind flexibler als Frankfurt.“ In der deutschen Börsenmetropole werde nämlich nach dem Xetra-System gehandelt, „was zwar Vorteile für die zehn bis 15 größten Mitspieler bringt“. Für die kleineren der etwa tausend deutschen Stromerzeuger sei dieses Handelssystem aber von Nachteil.

Praktisch funktioniert das Geschäft nach dem so genannten Spothandels-Prinzip. Stromerzeuger und -verbraucher geben heute ihre morgen produzierten oder benötigten Mengen ab. Aus Angebot und Nachfrage ergibt sich der Preis, der die Teilnehmer in die Lage versetzt zu entscheiden, ob ein Kraftwerk angeworfen, abgeschaltet, ob Strom zugekauft oder verkauft wird. Die Börse kassiert 10 Pfennig pro gehandelter Megawatt-Stunde.

„Der Trend geht in Europa zur Konzentration der Börsen“, glaubt EEX-Geschäftsführer Christian Geyer. Sobald die EU-Mitglieder ihren Strommarkt liberalisiert haben, sieht er nur Platz für eine große europäische Strombörse. Uhle hingegen blickt gelassener in die Zukunft: „Weil die Unterschiede von Land zu Land auf absehbare Zeit noch sehr groß sein werden, wird sich eher ein Netzwerk von Strombörsen in Europa etablieren.“

Igel Leipzig will dabei sein. Zwar ist nach dem heutigen Start längst noch nicht klar, ob die Konkurrenz mit Frankfurt zu einer Neuauflage des Märchens taugt. Was den Start anbelangt, können die Leipziger aber schon mal sagen: „Ich bin all hie.“

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