: Leichenöffnung gegen Willen der Angehörigen
■ Klinik Charlottenburg im Zwielicht
Das Klinikum Charlottenburg hält sich nicht an den Willen von Angehörigen, die eine Obduktion ihrer verstorbenen Verwandten ablehnen. Im Fall einer 70jährigen Frau, die im Dezember 1992 von dem Chefpathologen Bl.* und dem Arzt Br. – trotz mehrmaliger und fristgerechter Widersprüche von Tochter und Sohn – geöffnet wurde, wendeten sich nun die Angehörigen an die taz. Erika D. war während einer Krebs-Operation im Unterleibsbereich am 23. November 1992 verstorben. Da damals von Oberarzt Ba. als eindeutige Todesursache Herzstillstand festgestellt werden konnte, gab es keinen Grund für eine Obduktion.
Familie T. mißtraute bereits kurz nach der Operation Oberarzt Ba., denn Ba. hatte dreimal auf eine Erlaubnis für eine Leichenöffnung gedrängt. Der Verdacht der Familie sollte sich am Tag der Beerdigung bestätigen. Der Fahrer eines Bestattungsinstituts, der die Verstorbene in der Pathologie einkleidete, bestätigte den Angehörigen, daß der Leichnam „eine Narbe vom Hals bis etwa zum unteren Bauchbereich“ aufgewiesen habe.
Der ärztliche Direktor der Uniklinik Rudolf Virchow, Eckart Köttgen, erklärte auf Anfrage, falls die Vorwürfe zuträfen, wäre das Verhalten des Pathologiechefs „sehr ungewöhnlich“.
Familie T. hatte damals die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die das Verfahren allerdings einstellte. Dem Leichnam sei nichts weggenommen worden, von daher sei der Straftatbestand der Störung der Totenruhe nicht erfüllt, so die ermittelnde Strafverfolgerin Alex. Die Leiche habe außerdem geöffnet werden dürfen, entschied der Leitende Oberstaatsanwalt Klingberg, weil zur Zeit der Obduktion das Krankenhaus seinen „Herrschaftswillen“ noch nicht aufgegeben hätte. Seltsam bleibt, daß der Obduktionsbericht nach Angaben der Angehörigen nicht mehr existiert.
Möglicherweise muß das Verfahren wieder aufgenommen werden, nachdem bekannt wurde, daß auch aus dem Klinikum Charlottenburg heraus Leichtenteile an das hessische Pharmaunternehmen Braun/Melsungen geliefert wurden. Denn ob die von Sektionsangestellten und Ärzten gegebenen eidesstattlichen Erklärungen stimmen, in denen sie eine Beteiligung an der Hehlerei abstreiten, „kann niemand mehr wissen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne, Bernd Köppl, der taz. Auch der Pathologie-Mitarbeiter, der für Braun/Melsungen gearbeitet habe, hatte das Gegenteil beeidet. Familie T. will nun eine Wiederaufnahme des Verfahrens anstrengen. Dirk Wildt
* Die Namen sind d. Red. bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen