Leere Energiesparversprechungen: Merkel verrät Klimaschutz
Unverbindliche Richtwerte statt klarer Ziele: Die Bundesregierung torpediert in Brüssel die EU-Energieeffizienzrichtlinie und gefährdet damit auch die nationale Energiewende.
BRÜSSEL taz | Von der geplanten EU-Energie-Effizienzrichtlinie wird nicht viel mehr übrig bleiben als leere Versprechungen zum Energiesparen. Hauptverantwortlich dafür ist die deutsche Bundesregierung. „Es ist einfach nur peinlich, wie sich Berlin verhält. Angela Merkel hat uns und den Klimaschutz verraten“, sagt der grüne EU-Abgeordnete Claude Turmes, der für das EU-Parlament die Verhandlungen in Brüssel führt.
Schon nächste Woche könnte ein Kompromiss verabschiedet werden. Allerdings zögern die EU-Abgeordneten noch, diesem tatsächlich zuzustimmen. Die EU-Regierungen haben nämlich die meisten verbindlichen Ziele und Maßnahmen aus dem Papier gestrichen beziehungsweise enorm zurückgefahren.
Ursprünglich war zum Beispiel vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten ab 2014 jedes Jahr drei Prozent ihrer öffentlichen Gebäude energiesparend sanieren müssen. Auf Druck Deutschlands zählen dazu aber nur noch die Gebäude der nationalen Regierungen – also keine Krankenhäuser oder Kindergärten in den Kommunen. Nach Berechnungen von Turmes sind das in Deutschland gerade einmal schlappe 37 Gebäude.
Der EU-Abgeordnete rechnet damit, dass auch das eigentlich angestrebte Ziel, bis 2020 mindestens 20 Prozent des Energieverbrauchs einzusparen, nicht verbindlich festgelegt wird, sondern nur als Richtwert verwendet wird. Dies ist besonders grotesk, weil es die deutsche Bundeskanzlerin Merkel (CDU) war, die ihre europäischen Kollegen 2007 zu diesen ehrgeizigen Klimazielen überredet hat. Turmes vermutet, dass die Bundesregierung so auch das in der nationalen Klimawende vorgesehene 20-Prozent-Ziel torpedieren will.
Tote Richtlinien
Die EU-Richtlinie wollten die Deutschen diese Woche sogar noch weiter verwässern. Während der deutsche Vertreter bei den Verhandlungen zuletzt meist schwieg, weil sich in Berlin Wirtschafts- und Umweltministerium nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten, hatte er nach dem Amtsantritt des neuen Umweltministers Peter Altmaier (CDU) eine klare Forderung mitgebracht: Die Deutschen schlugen vor, bei der Berechnung der tatsächlichen Energieeinsparung auch Maßnahmen zu berücksichtigen, die schon vor 2009 durchgeführt worden sind. „Das hätte die Einsparungen von den beabsichtigten 20 auf rund zwölf Prozent gesenkt. Damit wäre die Richtlinie tot“, sagt Turmes.
Mit diesem Vorschlag haben sich die Deutschen aber nicht durchgesetzt. Nach stundenlangen Telefonaten der dänischen Ratspräsidentschaft, die die Richtlinie auf jeden Fall retten will, wollten nur Finnland, Portugal und Spanien sie unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag