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berliner szenenLebenslanges Lernen

Kohlenholen bei Katrin

Oft sehe ich die Schriftstellerin Katrin Schings. Kein Wunder, denn sie wohnt in der Gegend und steht gern am Fenster und singt Lieder von Bob Dylan mit, die aus dem Plattenspieler kommen, und nimmt das dann auf. Vor zwei Jahren wurde bei ihr eine Gasetagenheizung eingebaut. Sie hat immer noch ein paar Eimer Kohlen über. Die Guten von Rekord. Manchmal hole ich mir einen Eimer Briketts von ihr und fahre mit diesen Eimer Briketts am Lenkrad mit dem Fahrrad nach Hause. Manchmal schiebe ich auch. Die Lust, das Kohlenholen bei Katrin mit anderen Besorgungen zu verbinden, ist gering. Da kommt man sich doch blöde vor, wenn man zum Beispiel mit dem Eimer in der Hand in der Schlange in der Post z. B. steht. Besser ist doch: erst das eine, dann das andere. In der Post grüßt jemand, den man nicht richtig einordnen kann, „Hallo“, und man grüßt zurück und die Person sagt dann, ohje, die Post, das lange Warten!, und man selber findet es eher schön warm hier und steht auch gerne in Schlangen. Nur nervt, dass die Lichtsensorschaltung der automatischen Eingangstür auf die Schlangenbewegungen reagiert, die Tür also ständig auf- und zugeht. Nur kommt es einem albern vor, zehn Minuten in der Post zu stehen nur für eine Marke und die dann auch noch mit einem 50-Mark-Schein zu bezahlen. Und dann nur sagen zu können, man möchte eine bunte Marke haben, weil die aktuellen Sondermarken nicht mehr ausgestellt sind. Und dann kriegt man Wilhelm Busch mit diesem abgemagerten Lehrer, dem Max und Moritz üble Streiche spielen. Der Text auf der Marke geht so: „lebenslanges lernen: also lautet ein beschluss,/ dass der mensch was lernen muss.“ Es ist tatsächlich alles klein geschrieben.

DETLEF KUHLBRODT

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