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Lebenslang für Tiedemann gefordert

Die Staatsanwaltschaft sieht die 38jährige Gabriele Tiedemann des Mordes beim Überfall auf die Opec-Zentrale in Wien überführt / Die Beweiskette ist aber mehr als dürftig / Die Tat liegt über vierzehn Jahre zurück  ■  Von Bettina Markmeyer

Köln (taz) - Eine für das ovale Gesicht zu große Nase, die „enganliegenden Augen“, ihre „kleine, zarte Gestalt“ und der „ausschließlich von männlichen Zeugen“ beschriebene „fehlende Brustansatz“. Das sind die Kennzeichen, die Zeugen des Überfalls auf die Opec-Minister in Wien 1975 übereinstimmend der damals beteiligten einzigen weiblichen Täterin zuschrieben. Sie träfen sämtlich auf Gabriele Tiedemann zu, „wie wir an 29 Prozeßtagen Gelegenheit hatten festzustellen“. Für Oberstaatsanwalt Joseph Bellinghaus gibt es nach fast sechsmonatiger Verhandlung gegen die Exterroristin Gabriele Tiedemann vor der 12. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts „keine vernünftigen Zweifel“ mehr. Frau Tiedemann soll jene „Nada“ gewesen sein, die beim dem Überfall zwei Menschen erschossen und zusammen mit fünf Komplizen elf Erdölminister als Geiseln genommen haben soll.

Wegen zweifachen Mordes und Geiselnahme forderte die Staatsanwaltschaft in ihrem gestrigen Plädoyer eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Als weitere Indizien dafür, daß die 1975 unter dem Tarnnamen „Nada“ operierende Terroristin mit der heute 38jährigen Tiedemann identisch sei, führte Bellinghaus an: Fast alle Tatzeugen hätten Tiedemann nicht nur „in seltener Übereinstimmung“ beschrieben, sondern auch auf Fotos drei Wochen nach dem Überfall identifiziert.

Neben diesen Aussagen wertete der Oberstaatsanwalt einen Brief mit der Anrede „My love Nada“, der bei Tiedemann nach ihrer Festnahme im Dezember 1977 gefunden wurde, als wichtigen Beweis. Das Schweigen der Beschuldigten legte Bellinghaus gegen sie aus. Zur Entlastung könne auch die Aussage des ehemaligen Innenministers Mayhofer nicht beitragen, nach der die Bundesregierung Informationen gehabt hätte, daß Gabriele Tiedeman sich zum Tatzeitpunkt im Südjemen und nicht in Wien aufgehalten habe. Bellinghaus: „Es gibt keine seriöse Quelle, wonach die Angeklagte damals im Südjemen war.“ Nach ihrem „Vorleben“ als RAF-Anhängerin seien Tiedemann die Morde von Wien durchaus zuzutrauen, auch wenn sie sich heute vom Terrorismus distanziere.

Als erwiesen sieht die Staatsanwaltschaft den Mord an dem österreichischen Kriminalbeamten Anton Tichler an. Dafür, daß „Nada“ auch den irakischen Leibwächter Al-Khafazi erschossen habe, gebe es keine Zeugen. Als terroristischer Täterin aber sei ihr der Mord gleichwohl zuzuschreiben.

Spekulationen gibt es nun über das Urteil. Wegen der dürftigen Beweislage in diesem Indizienprozeß 14 Jahre nach der Tat gingen BeobachterInnen bisher von einem Freispruch aus. Gabriele Tiedemann, die, wie sie nach dem Mord an Alfred Herrhausen im Kölner Gerichtssaal erklärte, „seit nunmehr neun Jahren mit dem Terrorismus und seiner Ideologie gebrochen“ hat, sitzt seit fast 15 Jahren in Haft. Der Kölner Prozeß wurde um fünf Jahre verzögert. Die Bundesregierung verzichtete 1984 auf einen Auslieferungsantrag an die Schweiz, nachdem der international gesuchte Terrorist „Carlos“, Anführer des Opec -Überfalls, mit einem Anschlag auf den damaligen Innenminister Zimmermann gedroht hatte, falls der Prozeß eröffnet werde.

Die Staatsanwaltschaft ließ gestern, wie zuvor schon das Gericht, erkennen, daß auch bei einer Verurteilung Tiedemanns womöglich nach neuen rechtlichen Möglichkeiten gesucht werde, eine zusätzliche Gefängnisstrafe zu verkürzen.

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