■ DIE ANDEREN: Le Monde
Lafontaine und die deutsche Frage
Kohl hat in den vergangenen Monaten, bestens unterstützt von seinem liberalen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, ein diplomatisches Virtuosenstück vollbracht. Haben ihm auch Gorbatschows Haltung und der sowjetische Rückzug aus Mitteleuropa den Weg geöffnet, so hat er die Gelegenheiten zum Voranbringen der deutschen Sache mit jenem taktischen Instinkt und zupackenden Temperament zu nutzen verstanden, die ihm seinen Erfolg in der Bundespolitik bescherten. Er hat sicher kein Gespür für Geschichte, aber er hat ein Gespür für den Augenblick. In dieser entscheidenden Phase haben seine sozialdemokratischen Gegner das eine wie das andere vermissen lassen. Sie waren wie gelähmt von der Angst, den alten deutschen Nationalismus wiederzuerwecken, wenn sie auf die Vereinigung setzen. (...) Der SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine lief völlig an der Sache vorbei, als er glaubte, mit den Frustrationen der Ostdeutschen und den Ängsten der Westdeutschen sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.
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