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■ Die Anderen„Le Monde“ kommentiert Schröders Wahlkampf / Zur Berufung von Lothar Späth als Berater von Kohl schreibt „De Volkskrant“ / Die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant daily“ meint zu der faktischen Rubelabwertung

„Le Monde“ kommentiert Schröders Wahlkampf: Die Deutschen stimmen nicht über Programme ab. Es kommt darauf an, sowenig wie möglich zu sagen, um zu vermeiden, einem Teil der Wählerschaft in den Rücken zu fallen. Davon ist Schröder überzeugt. Er kümmert sich vor allem um sein Image. Sein Geheimnis ist, dasselbe Wirtschafts- und Sozialprogramm zu haben wie die CDU. Natürlich hat er einige Zugeständnisse an die SPD-Linke gemacht und angedeutet, er wolle einige unpopuläre Reformen Kohls korrigieren: so bei der Krankenversicherung, Rente oder der Vermögensteuer. Aber davon abgesehen will Schröder jene Reformen weitertreiben – vor allem im Steuerbereich –, die Kohl bisher nicht umgesetzt hat.

Zur Berufung von Lothar Späth als Berater von Kohl schreibt „De Volkskrant“ aus Amsterdam: Selbstgenügsam, festgerostet, provinziell, miserable Sprechweise. Vieles kann Kanzler Kohl vorgeworfen werden – aber nicht, daß er Haßgefühle hegt. Zum Schrecken der Opposition hat der deutsche Regierungschef einen Wirtschaftsberater gewinnen können, der ihn noch 1989 als CDU-Parteivorsitzenden und Kanzler zu Fall bringen wollte. Der Berater, Lothar Späth, wird in Ostdeutschland auf Händen getragen. Mit der Ernennung von Späth schlägt Kohl zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen beweist er Schröder, daß dieser nicht der einzige ist, der mit unerwarteten Ernennungen glänzen kann. Späth ist Kohls Antwort auf Schröders designierten Wirtschaftsminister, den parteilosen Computerhändler Stollmann. Außerdem muß Späth die ostdeutschen Wähler von Kohls unvermindertem Einsatz für die versprochenen, aber noch immer nicht realisierten „blühenden Landschaften“ in der Ex-DDR überzeugen. Mindestens so wichtig ist das Signal an potentielle CDU-Wähler: Kohl ist großherzig genug, selbst interne Feinde einzuschalten, wenn dies „gut für Deutschland ist“.

Die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant daily“ meint zu der faktischen Rubelabwertung: Laßt uns die Dinge beim Namen nennen: Die Regierung hat zugegeben, bankrott zu sein, die Zentralbank hat sich zu einer Rubelabwertung bereit erklärt. Man kann sagen, daß wir heute morgen in einem anderen Land aufgewacht sind. In einem Land, das an der Schwelle zu Preiserhöhungen, Warendefiziten, Importreduzierungen und einem „schwarzen“ Devisenmarkt steht. Die einzig vernünftige Entscheidung in dieser Situation ist, nicht in Panik zu verfallen. Man kann nicht sagen, daß die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen falsch sind. Im Gegenteil, ein Teil von ihnen war überfällig. Die Korrektur der Währungspolitik stand schon mindestens seit acht Monaten an. Aber das Ergreifen solcher Maßnahmen nach so vielen Erklärungen, wie schädlich sie seien, sieht wie ein Gesichtsverlust von Regierung und Zentralbank aus.

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