: Lavieren in Teheran
Hardliner unterstützen den einstigen Kriegsgegner/ Iranische Regierung behält antiamerikanische Parolen bei, setzt aber auf regionale Diplomatie ■ Von Robert Sylvester
Berlin (taz) — Der Golfkrieg und seine mögliche Ausweitung haben die iranische Führung in Teheran in eine schwierige Situation manövriert. Der Druck radikalerer Kreise auch innerhalb des religiösen Regimes nimmt zu. Dort schlägt das Herz für den ehemaligen Kriegsgegner Irak, denn nicht die Vertreibung der Truppen Saddam Husseins aus Kuwait steht für die Radikalen im Mittelpunkt, sondern die Angriffe auf ein islamisches Land, das außerdem einen großen schiitischen Bevölkerungsanteil hat. Doch bislang scheint es, als ob die Führung in Teheran eher auf Diplomatie setzt als auf Krieg.
Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani muß dabei den antiamerikanischen Parolen der Islamischen Republik ebenso Rechnung tragen wie dem relativ geringen militärischen Potential des Landes. Eine Beteiligung am Krieg könnte auch mit dem hohen Preis innerer Unruhen bezahlt werden. Doch für die Hardliner sind das keine Argumente. Ali Akbar Mohtaschemi, ehemaliger Innenminister, Drahtzieher der Kontakte zum Libanon, rief letzte Woche zu einer Demonstration gegen den US-Angriff auf. Doch zu dem Aufmarsch kamen weniger als zu einer Demonstration, für die die Regierung mobilisiert hatte. „Sollten die USA den Krieg gewinnen, werden wir das nächste Ziel sein“, erklärte Hojatoleslam und Hardliner Mohammed Khoiniha. „Amerika würde einen starken Iran nach einer irakischen Niederlage nicht tolerieren.“ Doch Rafsandschani und Außenminister Ali Akbar Velayati haben es bislang vorgezogen, lieber die Rolle eines aktiven Beobachters des Krieges zu spielen. Damit wollen sie verhindern, daß der Krieg sich auf andere Länder, beispielsweise die Türkei und den Iran, ausdehnt, und gleichzeitig der regionalen Diplomatie eine Chance geben.
Die iranische Warnung an die Adresse der Türkei, von einem militärischen Angriff auf den Irak Abstand zu nehmen, muß vor diesem Hintergrund gesehen werden. „Eine militärische Aktion der Türkei gegen den Irak würde einen Angriff gegen den Iran bedeuten“, hieß es diese Woche in einer Erklärung des Außenministeriums. Die iranisch-türkischen Beziehungen haben sich in den letzten Wochen verschlechtert, nachdem fundamentalistische Aktivitäten in der Türkei weiter eingeschränkt wurden. Im Lande selbst bemüht sich die Regierung, ihr antiamerikanisches Gesicht beizubehalten. „Ein Angriff auf Moslems und ein islamisches Land [Irak] durch Israel würde vom Iran nicht hingenommen werden“, erklärte Rafsandschani Anfang der Woche.
Ungeachtet der Tatsache, daß die panarabischen und panislamischen Parolen Saddam Husseins in der arabischen Welt auf Zustimmung stießen, stellt die Lage im Iran etwas anders dar. „Es ist das Regime, das fundamentalistisch eingestellt ist, nicht die Bevölkerung“, meint ein Beobachter. „Wenn das Regime sich für eine harte Linie entscheidet, um eine aktive Rolle im Krieg zu spielen, kann es das tun. Aber zum jetzigen Zeitpunkt möchte das Regime das nicht.“ Vermutlich wird das Regime sich bemühen, seinen Kurs des vorsichtigen Lavierens fortzusetzen. Dabei spielt sowohl die Angst vor einer massiven Reaktion der USA im Falle eines iranischen Kriegseintritts eine Rolle als auf der anderen Seite auch die Befürchtung, als islamisches Land innerhalb der arabischen Welt an Einfluß zu verlieren.
Jenseits aller Argumente und Einschätzungen ist die Zerstörung der irakischen Militärmaschinerie ein wertvolles Geschenk für die Ayatollahs in Teheran, die bisher kaum in der Lage waren, die kriegsgeschädigte Infrastruktur wiederaufzubauen. Ein bewaffneter Frieden mit dem Irak wäre dem Iran teuer zu stehen gekommen, zumal die einzige Einkommensquelle, das Öl, bei weitem nicht ausreicht, die Kosten zu decken. Nun, ohne die Konkurrenten aus Kuwait und dem Irak, hofft die Führung darauf, einen größeren Teil des Ölmarktes abzudecken. Aber angesichts der im Zuge des achtjährigen Krieges mit dem Irak zerstörten Ölanlagen kann der Iran nicht mehr als 2,9 Millionen Barrel am Tag anbieten.
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