: Lavendel gegen Blattlaus
Bernd Kolbe erzeugt als einziger Gärtner in Hamburg Blumen nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus ■ Von Gernot Knödler
Der Wind treibt Regen über die Vierlande, als Bernd Kolbe den langen schmalen Ackerstreifen hinter seinem Haus abschreitet. Da steht ein Beet Margueriten neben einem Quarrée aus Pfingstrosen, ein paar Meter Brachland und weiter zum Haus hin ist ein kleiner Kartoffelacker für den Eigenbedarf. Der gelernte Informatiker und Drogenberater Kolbe betreibt zusammen mit seiner Frau Ingetraud Harden die einzige biologische Schnittblumen-Gärtnerei in Vierlande. Der Betrieb, sagt er, sei voll ausgelastet.
Kolbes Frau hatte die Gärtnerei von ihren Eltern übernommen und im Nebenerwerb zu ihrem Beruf als Hauswirtschafterin weiterbetrieben – zuviel Arbeit für eine allein. Ein Teil des Landes fiel brach. „Mich hat das auch immer gefuchst, wenn sie die Waren in Kommisson gegeben hat, dass sie dann nur Pfennigbeträge kriegte und auf dem Markt wurden die Blumen zu ganz anderen Preisen verkauft“, erzählt Kolbe.
Da er mit seinem eigenen Job unzufrieden war, ließ er sich 1996 auf das Experiment ein, die Gärtnerei flott zu machen. Wenn überhaupt, das war für ihn klar, dann biologisch. Das war schwieriger als erwartet. „Bei Bioland gabs in den Richtlinien nichts zum Zierpflanzenbau“, sagt Kolbe, bei den anderen Anbau-Verbänden noch weniger und eine Beratung auch nicht.
Also hat er nach alten Rezepten geforscht, Bücher gewälzt, sich mit Ingetraud beraten und losgelegt. Er pflügte und lockerte den Boden, um der Quecke, eines hartnäckigen Unkrauts, Herr zu werden. Er lernte, dass die Quecke durch Sonnenblumen unterdrückt werden kann und zog vor drei Jahren mit seinen Blumen zum ersten Mal auf die Wochenmärkte.
„Ich will meine Ware auch selbst verkaufen“, sagt der schlanke Mann mit dem abstehenden Schnurrbart. Gegenüber Händlern, die nicht aus der Region stammen, hat er den Vorteil, am Tag nach der Ernte an die EndkundInnen verkaufen zu können. Das Kühlen und eine Behandlung für einen langen Transport kann er sich sparen.
Kolbe besetzt eine Nische: auf dem Isemarkt schon allein deshalb, weil sich „die Leute riesig freuen, dass ich ungespritzte Ware anbiete“; auf den Öko-Wochenmärkten in Ottensen und Blankenese durch die besonderen Arten, die er im Sortiment hat. Arten, die in kaum einer Gärtnerei mehr verwendet werden: Leberbalsam, Löwenmäulchen, Bergwohlverleih, Schöngesicht. „Da kommen bei vielen Kindheitserinnerungen hoch“, sagt Kolbe.
Günstig sind die alten Arten für den ökologisch wirtschaftenden Betrieb auch deshalb, weil sie nicht so empfindlich sind wie die gängigen hochgezüchteten Blumensorten. Um auf Spritzmittel verzichten zu können, sucht Kolbe gezielt nach krankheits- und schädlingsresistenten Sorten. Darüber hinaus setzt er sie weniger dicht nebeneinander als in einer herkömmlichen Gärtnerei, so dass sie besser durchlüftet und damit weniger anfällig für Pilze werden.
Auf den 2000 Quadratmetern Land, die Kolbe zu seinen 5400 Quadratmetern jenseits des Altengammer Hausdeichs hinzugepachtet hat, lässt sich das gut beobachten: Dort stehen 15 Reihen mit jeweils fünf verschiedenen Sorten Rosen. Die Reihen haben etwa einen Meter Abstand zueinander, so dass der Boden leicht mit Hacke und Fräse zu bearbeiten ist. Und zwischen den Rosenstücken sitzen in luftigem Abstand Büschel von Lavendel, Salbei und Nelken.
„Auf diese Weise hoffe ich eben, dass die Rosen nicht so empfindlich sind“, sagt Kolbe. Schädlinge, Pilzsporen und Bakterien haben es schwer, von einem Rosenstock zum anderen zu hüpfen. Manche Pflanzen sind regelrechte Barrieren, denn Blattläuse, weiß Kolbe, finden zum Beispiel Lavendel eklig.
Dennoch gibt es Krankheiten, denen der Bio-Gärtner mit seinen Methoden nicht beikommt. Der Rost zum Beispiel hat Kolbe eine Chrysanthemen-Saison gekostet. Allerdings hat er auch für dieses Problem inzwischen eine Lösung. „Wir suchten eine Chrysanthemen-Sorte, die resistent ist“, erzählt Kolbe und resümiert: „Das hat wunderbar geklappt.“
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