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Lateinamerika zwischen Kokain und Krieg

■ Heute beginnt der zweite gesamtamerikanische Drogengipfel in Texas/ USA wollen transnationale Militäreinheiten gegen Koka

Mexiko/Washington (ips/wps) — Die texanische Stadt San Antonio ist ab heute Schauplatz des zweiten Drogengipfels von US-Präsident George Bush mit seinen Kollegen aus den Andenpaktstaaten und Mexiko. In diesem Nachfolgetreffen des Gipfels von Cartagena im Februar 1990 werden die Staatschefs von Peru, Bolivien, Kolumbien, Mexiko und Ecuador vertreten sein. Venezuelas Präsident Perez schickt nur seinen Außenminister — er wagt es so kurz nach dem Putschversuch nicht, ins Ausland zu reisen. Außerdem ist just am Mittwoch der dritte Jahrestag blutig unterdrückter Proteste gegen seine Wirtschaftspolitik.

Die Andenpaktstaaten und Mexiko befinden sich in einem Dilemma. Sie wehren sich gegen den Vorschlag der US-Administration, daß das eigene oder gar US-Militär in ihren Ländern zur Zerstörung der Koka- und Mohnplantagen eingesetzt werden soll. Schlagen sie aber Bushs Vorschläge aus, müßten die Lateinamerikaner allein gegen den riesigen illegalen Wirtschaftssektor Drogenerzeugung und -handel in ihren Ländern ankämpfen.

Mexikos Justizminister Ignacio Morales lehnte vergangene Woche die Bildung transnationaler Militäreinheiten zur Drogenbekämpfung als verfassungswidrig ab. Die Bekämpfung des Drogenproblems müsse global, nicht nur in Washingtons südlichen Nachbarn erfolgen. Mexiko wolle die Abhängigkeit von der US-Hilfe bei der Bekämpfung des Drogenproblems bis zur völligen Autonomie verringern.

In Kolumbien beschlossen mehrere tausend Bauerndelegierte auf einem nationalen Kongreß die Bildung einer Front zum Schutz des Ökosystems. Sie wehren sich gegen das Vorhaben der eigenen Regierung, Mohnplantagen durch chemische Bekämpfung aus der Luft zu zerstören. In davon betroffenen Gebieten sei auch jede andere Landwirtschaft nicht mehr möglich, meinen sie. Das Wasser werde kontaminiert. Die Menschen würden sich Haut- und Nervenkrankheiten zuziehen. Präsident Cesar Gaviria wies diese Argumente am Freitag zurück: Damit würden sich die Bauern nur auf die Seite der Drogenbarone stellen.

In Bolivien kündigte der Führer der Kokabauern, Evo Morales, vergangene Woche den Boykott jeglicher in San Antonio gefaßter Beschlüsse an. Sollte das eigene oder ausländisches Militär in die Kokaanbaugebiete vordringen, sagte er, würden Selbstverteidigungskomitees mit modernen Waffen gegründet werden. Auf dem ersten Drogengipfel vor zwei Jahren hatte Präsident Jaime Paz Zamora mit George Bush vereinbart, auch das eigene Militär zur Zerstörung der Kokaplantagen in Bolivien einzusetzen. Die USA wollten im Gegenzug dafür Ausrüstung und Berater liefern. In diesem Jahr hat sich die Regierung Boliviens verpflichtet, 8.000 Hektar Kokaplantagen zu zerstören.

Peru wird in Texas eine Erhöhung der US-Finanzhilfen fordern, erklärte Außenminister Augusto Blacker am Samstag. Die USA hatten Peru 1990 eine Hilfe von insgesamt 100 Millionen US-Dollar zur Drogenbekämpfung in Aussicht gestellt. Bisher wurden aber nur 9,5 Millionen US-Dollar davon auch an Peru ausgeschüttet. Der Grund dafür sind Übergriffe der Armee in ihrem Krieg gegen die Untergrundbewegung „Leuchtender Pfad“.

Insgesamt sollen die lateinamerikanischen Länder in diesem Jahr 150 Millionen Dollar Militärhilfe aus Washington erhalten. Die US-amerikanischen Menschenrechtsgruppen „Americas Watch“ und „Human Rights Watch“ äußerten jedoch vergangene Woche in einem Brief an Präsident Bush ihre Besorgnis darüber, daß die USA finanzielle Hilfe und Berater für die peruanischen, kolumbianischen und mexikanischen Sicherheitskräfte bereitstellen.

Und US-Abgeordnete zeigten sich nach einem Bericht der 'Washington Post‘ am Freitag erzürnt darüber, daß Verteidigungsminister Richard Cheney die Bundesrepublik Deutschland um Militärhilfe für Peru ersucht hat. Cheney soll dieses Ansuchen Mitte Januar gestellt haben. Perus Streitkräfte verfügen über Hubschrauber sowjetischer Bauart. Es fehlten jedoch zuletzt Ersatzteile. Die Bundesrepublik Deutschland hätte durch den Rückzug der Sowjetsoldaten genug davon und könnte das Notwendige liefern.

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