piwik no script img

Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet

Der italienische Neorealismus entstand in den frühen 1940er Jahren als Reaktion auf die verlogenen Historiendramen und Komödien, die das faschistische Kino jener Jahre beherrschten. Man entwarf ein Gegenkonzept mit dem Versuch, in den eigenen Filmen dem wahren Leben möglichst nahe zu kommen: mit alltäglichen Geschichten, einer offenen Kadrage des Bildes und oft auch mit Laiendarstellern. Einen der frühen neorealistischen Nachkriegsfilme schuf Luchino Visconti mit „La terra trema“ (1948): ein episches Drama um das harte Leben einer sizilianischen Fischerfamilie im Kampf gegen Ausbeutung und Naturelemente, das Visconti mit Laien drehte, die in einem Dialekt sprechen, den auch in Italien damals kaum jemand verstand. Interessant ist der Vergleich mit „Rocco und seine Brüder“ (1960), einem starbesetzten Film über die Migration einer süditalienischen Familie aus ihrer ländlichen Heimat ins industrialisierte Mailand, der den Schlusspunkt unter die neorealistische Schaffensphase Viscontis setzt und den Übergang zu seinen Filmen über den dramatischen Zerfall von Familienbanden markiert: Hier muss der sanfte Titelheld (Alain Delon) die bittere Erfahrung machen, dass seine Neigung, dem kriminellen älteren Bruder stets alles zu verzeihen, geradewegs in die Katastrophe führt (La terra trema, OmeU, 13. 9., 19.30 Uhr, Arsenal 2, 15. 9.,19 Uhr, Arsenal 1 & Rocco und seine Brüder, OmeU, 13. & 14. 9., 20 Uhr, Babylon Mitte).

Einen Nachklapp zum Neorealismus bietet auch der Debütfilm des Dichters und Drehbuchautors Pier Paolo Pasolini: „Accattone“ (1961) drehte der Regisseur 1961 mit Laiendarstellern: die Passionsgeschichte eines Diebes und Zuhälters aus einer römischen Vorstadt, der seinem Leben und Schicksal einfach nicht entrinnen kann (OmeU, 13. 9., 18 Uhr, 15. 9., 14.15 Uhr, 18. 9., 17.15 Uhr, Babylon Mitte).

Eine nur wenig bekannte Kulturgeschichte erzählt der lebensfrohe und mitreißende Dokumentarfilm „The Mamboniks“: Als nach dem Zweiten Weltkrieg der kubanische Mambo die USA erreichte, waren es vor allem die jüdischen Communities in New York und Miami, die sich für die lateinamerikanischen Rhythmen begeisterten und sich vom Tanzfieber infizieren ließen. In Lex Gillespies mit spannendem Archivmaterial ausgestatteten Film reisen rüstige Rentner auch gern noch einmal nach Kuba, erinnern sich an ihre glorreiche Jugend und sind von der flotten Musik so begeistert wie eh und je. Zu sehen ist „The Mamboniks“ im Rahmen des Jüdischen Filmfestival (13. 9., 20 Uhr, Hackesche Höfe, 17. 9., 20 Uhr, FT am Friedrichshain).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen