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Langweilige Lügen

■ 'B.Z.‘ und 'Kurier‘ erfinden Bandenkrieg unter Russen

Berlin. »Bandenkrieg — Russen- Mafia immer brutaler — Schüsse in der Fasanenstraße«. Der 'Kurier‘ von Sonntag abend und die 'B.Z.‘ von gestern wußten es mal wieder ganz genau. Der Schönheitsfehler: An der ganzen groß aufgemachten Geschichte plus Schlagzeilen auf den Titelseiten stimmt kein Wort. Es ist eine echte Räuberpistole, aber brauchbar genug, um die Bevölkerung gegen die russischen Immigranten aufzuhetzen. Weder fielen am Sonntag nachmittag in der Fasanenstraße Schüsse, noch schleppte sich ein Mann blutend auf die Straße, und noch viel weniger fand der angebliche Bandenkrieg in einer illegalen Spielhölle der Russen-Mafia statt. Die ganze Horrorstory war so gelogen, daß sich gestern sogar der Innenausschuß damit beschäftigte. »Das ist eine unglaublich leichtfertige und berlinschädliche Darstellung«, sagte Innensenator Heckelmann. Richtig ist, daß am frühen Sonntag abend Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion in einem Hinterhof in der Fasanenstraße ein Fest feierten. Laut polizeilicher Pressestelle fühlte sich ein Anwohner gestört und beklagte sich bei den Feiernden. Auf dem Rückweg in die eigene Wohnung hörte er einen Knall, der »sich wie ein Pistolenschuß anhörte«. Der Mann rief die Polizei, und schon rauschte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei an. In martialischer Aufmachung drangen die Beamten über die Terrasse der — übrigens unverschlossenen — Wohnung ein und nahmen präventiv sieben Gäste fest. Die Wohnung wurde durchsucht — außer Sektkorken fand sich nichts. Die Polizei reagierte so hysterisch, weil sich im vergangenen Sommer Exil-Russen eine Schießerei im Restaurant »Da Gianni« in der Fasanenstraße lieferten. Da bleibt für die Kollegen wie gehabt nur der heiße Tip: Nichts ist erregender als die Wahrheit. aku

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