: Langeweile in Bonn
■ Parlamentsreden über den Wirtschaftsstandort aller Deutschen
Bonn (taz) – Wir brauchen eine Generalinventur der deutschen Gesellschaft. Das findet jedenfalls der Bundeskanzler, der gestern vor dem Parlament eine Regierungserklärung zu seinem Lieblingsthema Standort Deutschland abgab. Die ebenso lange wie langweilige Bundestagsdebatte war eine harte Geduldsprobe. Der Kanzler beklagte erneut Strukturschwächen der deutschen Wirtschaft: zu lange Genehmigungsverfahren, zu lange Ausbildungszeiten, ein überfrachteter Sozialstaat. Für die SPD-Opposition antwortete Oskar Lafontaine, den einige seiner Genossen nach den jüngsten Querelen am liebsten nicht am Rednerpult gesehen hätten. Doch am Ende hatte der saarländische Ministerpräsident den Beifall seiner ganzen Fraktion. Im Mittelpunkt seiner Rede stand das neue sozialdemokratische Credo: Arbeitsplätze. Lafontaine wiederholte, daß die ostdeutschen Löhne stärker an der Produktivitätsentwicklung orientiert werden müßten. Seine in der SPD umstrittene Kritik an der Rentenentwicklung unterließ Lafontaine. Neben heftigen Attacken auf Kohls Regierungserklärung und die Politik der Bundesregierung enthielt die Rede des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden auch Dialogangebote. Insbesondere für den von der SPD verlangten nationalen Beschäftigungspakt ist die SPD zur Zusammenarbeit bereit. Für Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) kam die Debatte „drei Jahre zu spät“. Der Standort kranke daran, daß Motivation und Schaffenskraft von Millionen Menschen brachlägen. Schulz verlangte einen beschleunigten ökologischen Strukturwandel. Gregor Gysi (PDS) vermutete in der Spar- und Standortpolitik „Klassenkampf von oben“. Aus allen Oppositionsparteien wurden für ostdeutsche Betriebe Lohnsubventionen gefordert. Tissy Bruns
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