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■ KommentarLanger Atem

Zu tief wollen wir nicht in die Schublade mit den Klischees greifen, das überlassen wir anderen: Ein „Lehrstück“ werden sie abgegeben haben, die Postprotestler von Klein Borstel, einen „Meilenstein in Sachen Bürgerbewegung gesetzt“ oder gar „Geschichte geschrieben“ haben. Auch der Vergleich mit dem kleinen gallischen Dorf wird von der journalistischen Kollegenschar wieder bemüht werden.

Alles ebenso abgegriffen wie nicht unzutreffend. Doch des Postprotestes Kern liegt, wie sollte es anders sein, tiefer: Friedlicher Widerstand, ziviler Ungehorsam, strategisches Handeln, originelle Aktionen – das sind die Stichworte eines Aufbegehrens, das Klein Borstel von Kopenhagen bis Klagenfurt in die Schlagzeilen brachte.

Das wichtigste Stichwort lautet jedoch: Langer Atem. Ein halbes Jahr lang haben die Klein Borsteler in Eigenregie die Post erledigt. Im Zelt, vor dem geschlossenen Postamt, bei Regen, Wind und Wetter, stundenlang, Tag für Tag. Eine Beharrlichkeit, die Respekt abnötigt, die nun sogar Verwaltungsköppe in Bonn zum Einlenken bewegte.

Wenn es aus Klein Borstel etwas zu lernen gibt, dann dieses: Nicht Einzelaktionen, nicht kurzfristiger Aktionismus sind die erfolgversprechenden Mittel gegen „die da oben“. Zu schnell sind solch Schlaglichter wieder vergessen.

Der zähe, unermüdliche, alltägliche Widerspruch, die Drohung mit nicht endenwollendem Engagement für das formulierte Ziel – es ist der beschwerliche Weg, aber es scheint ein heißer Tip für Bürgerbewegungen zu sein.Sven-Michael Veit

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