Lange Nacht der Religionen: Mönchsgewand statt Kilt
Seit 13 Jahren lebt der aus Schottland stammende Mönch Bhante Medhayo nur von Spenden. Neben seinen Almosengängen durch die Stadt wirbt er für den Buddhismus.
Als Bhante Medhayo seine nackten Füße über die Türschwelle des Asia-Ladens setzt, verstummen alle, die dort auf ihn warten. Ehrfürchtig fallen sie direkt neben der Kasse auf die Knie, falten ihre Hände und richten den Blick nach unten. Medhayo, dessen Körper in ein gelbes Tuch gehüllt ist, geht herum und sammelt Plastiktütchen und Briefumschläge ein. Die haben die etwa fünfzehn Menschen – alle asiatischen Ursprungs – mitgebracht und mit Essen und Geld gefüllt. Heute gibt es gebratenes Gemüse in gelber Currysoße, Reis, süßes Blätterteiggebäck und Foy Thong, eine traditionelle thailändische Süßigkeit aus Eigelb und Zuckersirup, die aussieht wie klebrige Nudeln.
Immer mittwochs und freitags kommt Medhayo um zehn Uhr morgens in den Asia-Laden in der Kantstraße in Charlottenburg. An den anderen Wochentagen führt ihn der Pindapata, der Almosengang, in den Wedding, nach Spandau und Neukölln. Als buddhistischer Mönch darf er nicht arbeiten, er ist angewiesen auf die Gaben der Gläubigen. „Ich lebe von den Spenden“, sagt er. Heute füllen die Essensspenden zwei große Einkaufstüten. Das, was Medhayo nicht schafft, gibt er seinen Nachbarn, Trockenes einer Hilfsorganisation.
„Das ist nicht viel“, sagt ein junger Thai in hellblauem Hemd und Chucks. Am Wochenende würden deutlich mehr Leute kommen, um zu spenden. Er selbst spende beinahe täglich: „Das ist unsere Tradition.“ Aber es sei freiwillig, betont er mehrmals. Die Thailänder seien sehr traditionell und nur aufs Spenden fixiert, bedauert Bhante Medhayo. „Wenige wollen meditieren und die Lehre des Buddhismus in der Tiefe verstehen.“
Bei der ersten Langen Nacht der Religionen öffnen 65 Gotteshäuser ihre Türen und laden von 18 bis 24 Uhr dazu ein, ihre Religion kennenzulernen.
Die Veranstaltung beginnt mit dem Auftakt um 16 Uhr im Roten Rathaus und endet mit einem interreligiösen Friedensgebet auf dem Gendarmenmarkt um Mitternacht. Das genaue Programm ist im Internet unter www.lndr.de zu finden.
Bhante Medhayo bietet zwischen 18 und 21 Uhr Einführungen in die Meditation.
Die Idee zur Langen Nacht der Religionen ist beim Dialog der Religionen entstanden, dessen Ziel es ist, den Austausch der Religionsgemeinschaften und ein friedliches Miteinander zu fördern.
Religionen in Berlin
In der Hauptstadt gibt es etwa 250 aktive Religionsgemeinschaften. Die größten sind die christlichen: die evangelische Kirche mit 660.000 Mitgliedern, gefolgt von der römisch-katholischen mit 318.000. Drittgrößte ist die islamische Gemeinde mit 249.000 Mitgliedern, gefolgt von der jüdischen Gemeinde mit 10.000. Mit 6.500 Gläubigen sind die Buddhisten die kleinste Gruppe der großen Weltreligionen. Etwa 60 Prozent aller Berliner sind konfessionslos. (ran)
Medhayo, der ursprünglich aus Schottland stammt, und seinen bürgerlichen Namen nicht verraten möchte, ist erst mit 40 Jahren offiziell zum Buddhismus übergetreten. Er sagt allerdings, dass er schon immer Buddhist war: „Ich habe mich nicht entschieden. Der Buddhismus ist ein Naturgesetz. Jeder, der Gutes tut und Schlechtes vermeidet, ist Buddhist.“
Eigentlich ist Medhayo studierter Sprachwissenschaftler. Er forschte einige Zeit im Bereich der Psycholinguistik. Nach einem Urlaub in Laos wollte er dort bleiben, ein Unternehmen aufbauen und Kaffee rösten. Als das nicht klappte, ging er zurück nach Europa und arbeitete für eine Menschenrechtsorganisation. Er las über Buddha und wollte mehr erfahren. Deswegen ging er vor 13 Jahren in ein französisches buddhistisches Kloster, wo er drei Monate als Mönch leben wollte. Aus den drei Monaten wurde sein bisheriges weiteres Leben. Nach Aufenthalten in buddhistischen Zentren in Berlin und Frankfurt gründete er 2007 sein eigenes Zentrum.
Medhayo ist ein zurückhaltender Mensch mit einem steten Lächeln im Gesicht. Er redet gleichmäßig ruhig und bedächtig. Die meiste Zeit verbringe er in seiner Zweizimmerwohnung, erzählt er. Die Miete zahle er mit dem Geld, das die Leute ihm täglich in Briefumschlägen überreichen. Seine Wohnung ist ganz in Gelb und Orange gehalten: orangefarbene Teppiche und Handtücher im Bad, gelbe Tücher im Flur, gelbe Sitzkissen im Wohnzimmer.
Das ist gleichzeitig Sitz des von ihm im Jahr 2007 begründeten Dhamma Zentrums. Es ist karg eingerichtet. Neben einem kleinen Altar, auf dem frische Blumen und Buddhafiguren stehen, befinden sich darin ein Tisch, ein Stuhl, zahlreiche Töpfe mit Pflanzen, mehrere übereinandergestapelte Sitzkissen und ein Podest, auf dem Medhayo thront. Das Ziel des Zentrums sei es, Deutschen den Buddhismus näherzubringen, sagt der Mönch. Jeden Donnerstag versammelt sich hier eine Meditations-, samstags eine Studiengruppe.
Meditieren und buddhistische Schriften lesen – das sind neben dem Almosengang die Hauptbeschäftigungen von Medhayo. Seit 13 Jahren sieht so sein Alltag aus. „Das Ziel eines Mönchs ist, den Geist zu entwickeln“, sagt er. Derzeit studiert er ein auf Thai geschriebenes Buch, das er auf seiner letzten Reise in Thailand gefunden hat. Es handelt davon, wie man Glück aus Leid erzeugt.
Doch Medhayo lebt nicht nur zurückgezogen. Er widmet sich auch der Mission. Er betreibt eine eigene Internetseite. Im Flurschrank verstaut er Kisten mit unzähligen Heften verschiedener Suttas, Kopien der Schriften Buddhas. Auf einem hölzernen Hocker direkt neben der Wohnzimmertür liegen weitere Broschüren und Visitenkarten, an der Wand im Wohnzimmer stapeln sich mehr als ein Dutzend Pakete Druckerpapier.
Der Mönch möchte andere für seine Strömung des Buddhismus gewinnen. Sein Vorbild ist Buddhadasa Bhikkus an, ein einflussreicher Mönch der Theravada-Schule aus dem 20. Jahrhundert, der Schule der ersten Buddha-Anhänger. Medhayo sieht sich damit in Kokurrenz zu den anderen Schulen: „Früher gab es nur zwei Tempel in Berlin, heute sind es sieben“, sagt er. „Den wahren Dhamma erleben“, die wahre Lehre Buddhas, könne man aber bei ihm, heißt es auf seiner Internetseite.
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