Landesparteitag von Niedersachsens AfD: Draußen Proteste, drinnen Rumoren
Vor ihrem Landesparteitag vermeidet es Niedersachsens AfD, Streitigkeiten in der Öffentlichkeit auszutragen. Vom Tisch ist der Ärger damit nicht.
D ie Umfragewerte steigen. In Niedersachsen könnte die AfD nach einer Umfrage bei der nächsten Landtagswahl 14 Prozent erreichen. Ein Zuwachs von vier Prozent, freut sich Frank Rick. „Als drittstärkste Kraft vor den Grünen“ würde die AfD ins Parlament einziehen, prognostiziert der Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete.
Diese Nachrichten dürften für beste Stimmung auf dem kommenden Landesparteitag sorgen. Vom 19. bis 20. August tagen die Delegierten in den Räumen der Congress Union Celle. „Das Veranstaltungszentrum selbst bietet alle technischen und räumlichen Voraussetzungen, um einen erfolgreichen Parteitag durchzuführen“, sagte der AfD-Landespressesprecher Frank Horns.
Die Stadtverwaltung musste die Veranstaltung nicht genehmigen. „Die AfD ist eine demokratisch legitimierte Partei“, sagte Stadtsprecherin Myriam Meißner. Juristisch haltbare Gründe, eine solche Veranstaltung abzulehnen, gebe es nicht, meinte Meißner. Die Vorsitzenden des Grünen-Kreisverbandes Janne Schmidt und Bernd Zobel vermissen dagegen „eine klare Haltung zur demokratiefeindlichen Ausrichtung der AfD“. Für einige Verwaltungen scheint eine solche nur möglich zu sein, wenn die Verfassungsschutzämter und -behörden die Partei als gesichert rechtsextrem einstufen sollten.
Der Druck durch die Zivilgesellschaft und Wissenschaft ist nach den neuesten bundesweiten Umfragehochs gestiegen. Ein Verbot der AfD würde die rechtsextremen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft zwar nicht beseitigen, die Handlungsmöglichkeiten der vermeintlichen Alternative für Deutschland jedoch nachhaltig einschränken. Dass sich die AfD durch die Tagespolitik in den Parlamenten entzaubern ließe oder ihre internen Streitereien Wähler abschreckten, wird durch die Umfragen nicht bestätigt – weder in Ost- noch in Westdeutschland.
Der niedersächsische AfD-Landesverband war in den vergangenen Jahren zutiefst zerstritten. Vor Parteitagen wurde öffentlich der Status von Mitgliedern angezweifelt oder es wurde die Wahl der Kandidat:innen hinterfragt. Rechtsstreits folgten, Schiedsgerichte wurden angerufen. Der Erfolg bei der Landtagswahl 2022 kam dennoch: Die AfD erlangte 18 Mandate. In Celle erreichte sie fast 15 Prozent.
Diese Entwicklung dürfte ein Grund sein, dass vor dem Parteitag nicht erneut Streitigkeiten in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Im Hintergrund rumort es dennoch. Der Landeswahlleiter muss mehre Einsprüche gegen die Landtagswahl überprüfen. Aus der AfD wird behauptet, dass bei der Listenaufstellung für vordere Plätze Geld geflossen sei. Im September will der Wahleiter eine Entscheidung verkünden.
Zu den Kritikern der Listenaufstellung gehört Reinhard A. Das AfD-Mitglied wollte beantragen, dass elf AfD-Mitglieder „wegen erheblicher Parteischädigung“ ihrer Ämter verlustig gehen sollten. In einem an die taz durchgestochenen Antragsentwurf, wird behauptet, dass die Kandidatur von Andreas K. gezielt verhindert worden sei. Schon 2022 hatte A. beantragt, die Landesliste für nichtig zu erklären. Der neue Antrag richtet sich gegen Rinck und Fraktionschef Stefan Marzischewski sowie fünf Landtagsabgeordnete.
Den Parteitag werden Proteste begleiten. Ein breites Bündnis will zu dem Tagungsort ziehen. Mit dabei: die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. In der Nacht zum 15. August waren am Sitz der Stiftung in Celle mehrere Fensterscheiben zerstört und eine Informationstafel von der Wand gerissen worden. Geschäftsführerin Elke Gryglewski betont, dass angesichts dieses Angriffs alle gefordert seien, die Demokratie zu verteidigen. „Deshalb laden wir nachdrücklich zur Beteiligung an der Demonstration in Celle ein“, sagt Gryglewski.
Hinweis: Der Artikel wurde nachträglich geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül