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PRESS-SCHLAGLand auf Eis

■ Der Spielerstreik in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL beunruhigt die Kanadier

Was dem Deutschen der Fußball, ist dem Kanadier sein Eishockey. „Man kann sich nicht vorstellen, wie das kanadische Leben ohne Eishockey aussehen würde“, schrieb der Schriftsteller Doug Beardsley in seinem Buch Land auf Eis, und in einigen Regionen des unwegsamen Staates sollen die Jungen sogar mit Kufen an den Füßen geboren werden. Hockey- Legenden wie Wayne Gretzky, Guy Lafleur, Gordie Howe oder Bobby Orr nehmen den Rang von Märchenfiguren ein, und nur in Kanada ist es möglich, daß ein 17jähriger Eisrüpel namens Eric Lindros seine Autobiographie schreibt und diese prompt zum Bestseller avanciert. Drei Viertel der 564 Spieler in der 1917 gegründeten nordamerikanischen Profiliga NHL kommen aus Kanada, und genau diese könnten nun für eine gewaltige Welle der Depression im rauhen Norden sorgen.

Am Mittwoch lehnten die NHL- Profis mit satten 560:4 Stimmen das Angebot der Club-Präsidenten ab und traten in den Streik. Der für nächste Woche geplante Auftakt der Play-offs ist hochgradig gefährdet. Hintergrund des Arbeitskampfes sind die Forderungen der Spielergewerkschaft NHLPA nach einem freien Spielermarkt, der Schaffung einer neutralen Schlichtungsstelle und vor allem einer höheren Beteiligung an den Einnahmen aus Werbung und Fernsehrechten. Während die Clubs gerade in den Play-offs alljährlich den großen Reibach machen, bleibt das Einkommen der Spieler in dieser Phase, abgesehen von den Siegprämien, gleich. 125 Millionen Dollar haben die Clubbesitzer in den letzten drei Spielzeiten an Profit gemacht, 24 Millionen werden es nach Ansicht der Spieler in diesem Jahr sein.

Dem widersprechen die „Owners“ energisch. Sie behaupten, daß sie in dieser Saison neun Millionen verlieren werden, in der nächsten gar 55 Millionen. „Sie müssen unseren Zahlen glauben“, beschwört Marcel Aubut von den Quebec Nordiques seine Angestellten, „die Hälfte der Teams kann sich nicht einmal das Angebot leisten, das auf dem Tisch liegt.“

Nicht unsere Schuld, argumentieren die Profis und werfen der NHL vor, der Sportverband mit dem miserabelsten Management zu sein. Die Funktionäre seien nicht einmal in der Lage, vernünftige Fernsehverträge für die USA auszuhandeln. „Die Liga hat die übelste Führung aller Sportarten“, sagt auch Bob Buner, seit 1961 Fan der Pittsburgh Penguins, „noch eine Stufe unter dem Weltverband der Catcher.“ Für die Drohung der Clubchefs, Spieler von Farmteams oder Ruheständler in den Play-offs einzusetzen, hat Buner nur ein spöttisches Lächeln übrig: „Ich besitze vier Play-off-Tickets, die mich 2.200 Dollar gekostet haben. Ich bezahle nicht dafür, Ersatzleute zu sehen.“

Aber auch die Spieler stoßen nicht auf ungeteilte Sympathie bei den Fans. Noch nie haben die Akteure der großen Sportarten in der Endphase der Meisterschaft gestreikt, und Mike Gartner von den New York Rangers, Mitglied der Verhandlungskommission, merkt selbstkritisch an: „Ich glaube nicht, daß sie sehr viel Mitgefühl für Spieler empfinden, die im Durchschnitt 350.000 Dollar pro Jahr verdienen.“ Wayne Gretzky sieht die ganze Sache eher pessimistisch: „Die Spieler halten in dieser Situation sehr gut zusammen, aber die Abstimmung hat auch die Club-Besitzer zusammengebracht und gestärkt.“ Entweder die Sache sei in zwei, drei Tagen erledigt, „oder wir machen bis November oder Dezember weiter“, glaubt der Superstar der Los Angeles Kings.

Trübe Zeiten für Kanada, das sich schon düsteren Prophezeiungen ausgesetzt sieht. Einen Babyboom sagen die einen voraus, steigende Kriminalität die anderen. Auf jeden Fall, da ist der Literaturprofessor Benoit Beaulieu aus Quebec sicher, wird die Stimmung im Lande auf den Nullpunkt sinken: „Ohne Hockey könnte eine weitverbreitete Verdrießlichkeit einsetzen.“ Matti

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