■ Ökolumne: Lahme Umweltverbände Von Jörg Bergstedt
Nun soll er also wieder rollen, jener Castor, der seit Jahren das Symbol der Anti- Atom-Bewegung ist. Von vielen ist dann bekannt, was sie tun werden: Millionen werden am Fernseher das deutsche Topereignis verfolgen. Zehntausende PolizistInnen werden mit schlechtem Gewissen oder sportlichem Ehrgeiz auf Demonstranten einprügeln. Und eben Tausende, vielleicht Zehntausende, werden die Castor-Gleise blockieren, Hakenkrallen werfen oder Lieder singen. Es sind vor allem unabhängige Basisgruppen, die den Protest tragen und die durch ihren Widerstand zeigen, daß Bewegung im Umweltschutz nur dort geschieht, wo Menschen offen und klar agieren.
Das hat inzwischen ein Teil der Umweltbewegung verlernt: die SpitzenfunktionärInnen der etablierten Umweltverbände. Wenn man fragt, was sie Ende März machen werden, so fällt die Antwort schwer. Denn schon 1997 war in Sachen Anti-Atom-Aktionen kein Ruhmesjahr für BUND, Nabu & Co.
Damals im März schickte die Atomlobby den Castor-Sixpack ins Wendland. Auch der BUND war vor Ort, zeigte kurz sein Banner – und fand ansonsten seine Rolle als Vermittler zwischen Polizei und DemonstrantInnen. Jochen Flasbarth, Präsident des Naturschutzbundes, setzte noch einen drauf: Die Rauchschwaden der Auseinandersetzung im Wendland waren noch nicht verzogen, da traf er sich schon wieder putzmunter mit der Atomministerin Merkel vor laufenden Fernsehkameras. Sie malten niedliche Spechte auf Bäume, die nicht gefällt werden sollten. Die Atomministerin konnte ein bißchen PR brauchen nach den spektakulären Polizeieinsätzen im Wendland. Eine klare Distanzierung und das Absagen des Termins wäre die angemessene Antwort des Nabu gewesen.
Den Höhepunkt aber schafften die großen Umweltverbände am 4. November. An diesem Tag wurde der langerwartete Krümmel-Castor durchs Land geprügelt. Proteste, Polizeiprügel und Festnahmen prägten den Tag entlang der Gleise. In Bonn sah es zur selben Zeit etwas anders aus: Der Präsident des Deutschen Naturschutzringes, Wolfgang Engelhardt, feierte seinen 75jährigen Geburtstag. Alle FreundInnen des obersten Umweltschützers dieser Republik hielten für ihn Reden. Den Anfang und das Ende bildeten Angela Merkel und Kanzler Helmut Kohl.
Wer klare Positionen zur Atompolitik hat, hätte sie dort auch nennen müssen. Statt der Lobhudelei für die Verantwortlichen der Atomtransporte wäre ein klarer Protest, also die Ausladung der beiden, angemessen gewesen. Engelhardt sowie viele andere Größen des etablierten Naturschutzes, etwa Hubert Weinzierl, der Chef des BUND, Leif Miller, der staatsnahe Senkrechtstarter der Grünen Liga, aber taten es nicht. Die Umweltbewegung zeigte sich an diesem Tag von ihren beiden Seiten: dem Widerstand und der anbiedernden Funktionärsebene.
1997 kam der BUND Thüringen in arge Finanznöte. Seine Klage gegen das Pumpspeicherwerk Goldisthal des Atomkonzerns Veag war so nur schwer durchzuhalten. Da zeigte sich der Atomriese verbindlich: Wenn der BUND seine Klage zurückziehe, würde der Konzern mal sieben Millionen Mark für den armen Verband springen lassen. Der BUND akzeptierte das Geld, nicht aber darauffolgende Bestechungsvorwürfe – die wies er beleidigt zurück.
Und der Nabu? Auf vier Seiten machte der Naturschutzbund in seiner letzten Vereinszeitung Werbung für Siemens-Handys und kassierte dafür 50.000 Mark. Siemens ist aber der zentrale Atomkonzern in Deutschland. Viele Umweltgruppen, darunter die Jugendorganisation des Nabu, tragen deshalb einen Siemens-Boykott, indem sie dazu auffordern, Siemens- Geräte so lange nicht zu kaufen, bis der Konzern aus dem Atomgeschäft aussteigt.
Was also werden die Spitzenleute diesmal machen? Vielleicht guckt ihnen die eigene Basis in ihren Verbänden mal genauer auf die Finger – und scheucht sie auf die Castor-Gleise. Das wäre doch mal was.
Im April erscheint von Jörg Bergstedt „Agenda, Expo, Sponsoring – Recherchen im Naturschutzfilz“ (IKO-Verlag)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen