Lage in der Ukraine: Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten
Im Donbass wird noch gekämpft. Aber selbst die radikale Politikerin Sawtschenko spricht jetzt mit den „Volksrepubliken“.
Erwartungsgemäß stand die Lage im Donbass im Zentrum der Pressekonferenz, die die ukrainische Abgeordnete Nadija Sawtschenko am Donnerstag im Berliner Mauermuseum gab. Die als unversöhnliche Gegnerin Russlands bekanntgewordene ehemalige Kampfpilotin stimmte versöhnliche Töne an: Die Menschen im Donbass seien „würdige Gegner“; es seien auch Menschen, genauso erschöpft und kriegsmüde wie die auf der anderen Seite.
Seit dem spektakulären Tausch Sawtschenkos gegen zwei russische Gefangene und ihrer Rückkehr aus Russland in die Ukraine im Mai dieses Jahres hat die 35-jahrige Expilotin in ihrer Heimat immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. So wie sie während ihrer zweijährigen Haft in Russland in Bezug auf den Kreml sich kein Blatt vor den Mund nahm, macht sie auch in Kiew immer wieder durch radikale Statements von sich reden – nun allerdings über die ukrainischen Politiker. Aber sie entspricht dabei nicht dem Klischee der radikalen Nationalistin: Vor einer Woche wurde die einstige Nummer eins der Liste der Partei Vaterland von Expremierministerin Julia Timoschenko aus ihrer Fraktion ausgeschlossen – der Grund: ein heimliches Treffen mit Führern der separatistischen sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, Alexander Sahartschenko und Igor Plotnizki, im weißrussischen Minsk.
Vorwürfe gegen Sawtschenko
„Die Vaterlandspartei ist kategorisch gegen jegliche Verhandlungen mit Terroristen, gegen eine Amnestie der Mörder von Ukrainern, gegen die Legalisierung der Banden im Donbass“, hieß es zur Begründung aus dem Munde Timoschenkos. Sawtschenko lehnte nun die Anschuldigung, die „Volksrepubliken“ im Donbass durch ihre Gespräche legitimieren zu wollen, vehement ab. Das sei ohnehin bereits beim Minsker Friedensabkommen von 2014 passiert, sagte sie in Berlin. Dieses Abkommen wurde auch von den Vertretern von Donezk und Luhansk unterschrieben. Zu behaupten, diese Republiken existierten nicht, sei pure Heuchelei, so Sawtschenko.
Ihre ungewöhnliche Zusammenkunft in Minsk hatte eine völlig neue Qualität. Es war das erste Treffen einer ukrainischen Parlamentsabgeordneten mit den Vertretern der international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ im Donbass.
Seit ihrer Freilassung bemüht sich Sawtschenko um die Freilassung anderer Gefangener, die in Russland beziehungsweise im Donbass inhaftiert sind. Auch dazu nahm Sawtschenko in Berlin Stellung: Das Leben jedes einzelnen Gefangenen habe für sie absolute Priorität. Um ein einziges Leben zu retten, sei sie bereit, mit dem Teufel zu sprechen, sagte sie, und sie wolle nichts ungenutzt lassen, um die Aufmerksamkeit der Welt auf das Problem in ihrem Land lenken zu wollen: den andauernden Krieg.
Jemand müsse diesen ersten Schritt tun, wenn die ukrainischen Politiker offensichtlich nicht willens oder dazu nicht imstande seien, fuhr sie fort. Hätte die Ukraine sofort das Kriegsrecht ausgerufen und die wirtschaftlichen Beziehungen und den visafreien Verkehr mit Russland gestoppt, dann gäbe es heute keine „Separatisten“ und „Terroristen“.
Eine junge Frau aus der Krim fragte, ob Sawtschenko eine Lösung auch für ihre Heimat habe. „Sicherlich. Ich habe darauf meine Sicht, die in unserem Parlament leider keine Mehrheit hat. Auf die Details kann ich nicht eingehen, wir wollen ja vor dem Feind keine Karten offen legen. Aber seien Sie sicher, dass noch nichts verloren ist.“
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