Länderspiel China-Deutschland: Blamables Unentschieden
Schwache Leistung in Fernost. Ohne Führungspersönlichkeit ist das Rumpf-Team von Joachim Löw auf der ersten Station der Asienreise mit einem 1:1 knapp an einer Blamage vorbei geschlittert.
SHANGHAI dpa | Joachim Löw verteidigte auch nach der misslungenen China-Premiere tapfer seine heikle Asien-Mission - an den Wahrheiten auf dem Platz kam aber auch er nicht vorbei. "Die Spieler wollten schon, konnten aber nicht wie gewohnt", erklärte der Bundestrainer nach dem mageren 1:1 (1:1) seines führungslosen Rumpf-Teams am Freitag vor trostloser Kulisse im "Shanghai Stadium". Die Motivation habe nicht gefehlt, aber ohne Leitfiguren wie Kapitän Michael Ballack und ausgelaugt von einer langen Saison, den Strapazen der Anreise und der Zeitumstellung war bei der deutschen Fußball- Nationalmannschaft einfach nicht mehr drin.
"In Offensive und Defensive waren wir im Handeln nicht auf allerhöchstem Niveau", gestand Löw. Sein Aushilfskapitän Philipp Lahm, der in einem seiner schwächsten Länderspiele ein Sinnbild für die Probleme und offenkundigen Mängel war, stimmte zu: "Man konnte voraussehen, dass wir nicht richtig fit sein können", sagte der Münchner: "Das hatten wir uns anders vorgestellt."
Die von der Bundesliga erhoffte positive Werbung für Fußball "Made in Germany" konnte die zusammengewürfelte und auch noch im System veränderte Verlegenheitself gegen die hochmotivierten Chinesen nicht leisten. Lukas Podolski (7. Minute) verhinderte mit seinem 33. Länderspieltor, durch das er in der ewigen DFB-Bestenliste auf Platz elf mit dem legendären Fritz Walter gleichzog, wenigstens eine die weitere Reise zusätzlich erschwerende Niederlage. Der herausragend haltende Torhüter Robert Enke hielt das 1:1 am Ende fest. Hao Junmin (5.) hatte vor nur rund 25.000 Zuschauern in der riesigen Schüssel des "Shanghai Stadiums" sein Team in Führung gebracht.
Spielprägende Figuren wie Michael Ballack, Miroslav Klose und Per Mertesacker wurden beim EM-Zweiten spürbar vermisst - über die Nachrücker wollte der DFB-Coach aber nicht den Stab brechen. "Von Gewinnern oder Verlierern zu sprechen, wäre heute fehl am Platze", sagte Löw. Schon am Samstag fliegt die DFB-Auswahl nach Dubai, wo die Nationalspieler am Dienstag (20.00 Uhr/ZDF) gegen die Vereinigten Arabischen Emirate sich in der Wüsten-Hitze ein letztes Mal vor dem verdienten Urlaubsbeginn quälen müssen.
China - Deutschland 1:1 (1:1)
China: Yang Zhi - Zhao Peng, Feng Xiaoting, Cheng Liang (86. Du Wei), Cao Yang - Jiang Ning (83. Yu Hanchao), Zhao Xuri, Liu Jindong (57. Zhou Haibin), Wang Xinxin (66. Han Peng) - Hao Junmin, Gao Lin (66. Zheng Zhi)
Deutschland: Enke - Lahm, Arne Friedrich, Huth, Schäfer - Gentner, Hitzlsperger - Trochowski (76. Hinkel), Schweinsteiger, Podolski - Gomez (63. Cacau)
Schiedsrichter: Lee (Südkorea) - Zuschauer: 25 000
Tore: 1:0 Hao Junmin (5.), 1:1 Podolski (7.)
Gelbe Karten: - / Podolski, Lahm
Beste Spieler: Jiang Ning, Zhao Xuri / Enke, Podolski
"Natürlich haben wir uns das anders vorgestellt. Wir sind auf eine Mannschaft getroffen, die spritziger war", sagte der nun seit 15 Länderspielen und insgesamt 795 Minuten torlose Mario Gomez. Seine Flaute wollte der Neu-Münchner nicht überbewerten. "Dass ich nicht getroffen habe, ist kein Problem. Ich habe es versucht, aber es sollte nicht sein. Irgendwann wird es schon wieder passieren." Auch Löw sprach Gomez weiterhin sein "absolutes Vertrauen" aus.
Bahnbrechende Erkenntnisse auf dem Weg zur WM 2010 in Südafrika lieferte die Partie nicht, doch Löw glaubt weiterhin an für ihn wichtige Fingerzeige. "Wir müssen gewappnet sein, wenn es um die Wurst geht", sagte er. "Ich bin ein experimentierfreudiger Trainer in einer Phase wie jetzt." Arne Friedrich und Rückkehrer Robert Huth durften sich im Abwehrzentrum beweisen - als Dauerlösung empfahl sich das Duo auf Anhieb nicht. Erstmals seit der EM rückte Lahm wieder auf die rechte Abwehrseite, weil Löw links den Wolfsburger Marcel Schäfer sehen wollte. "Ich hatte das Gefühl, dass er gute Ansätze mitbringt." Neuling Christian Gentner stand sogar in der Startelf.
Der Rückgriff auf das 4-2-3-1-System sollte Stabilität geben, es kostete aber Durchschlagskraft. "Es ist wichtig, mal zum 4-4-2 zu variieren. Auf hohem Niveau greift man mit zehn Mann an und verteidigt mit zehn", bemerkte Löw zur aufflammenden Taktik-Debatte. Beim Tor von Podolski nach Vorarbeit von Bastian Schweinsteiger klappte das ausnahmsweise. Man sei nicht am Willen gescheitert, sondern an fehlender Frische, meinte Lahm: "Jeder ist gelaufen, so wie es ging. Aber von der Spritzigkeit sind wir hinterhergerannt."
Am Ende musste Enke mit guten Reaktionen bei Distanzschüssen der Chinesen, denen Löw "Komplimente" für ihr couragiertes Spiel machte, noch eine Niederlage verhindern. Der insgesamt blasse Schweinsteiger (84.) vergab die große Einladung der Gastgeber zum Siegtreffer, als er den Ball freistehend am Tor vorbeischlenzte. Ein Sieg wäre des Guten aber auch zuviel gewesen, gestand Pechvogel Gomez: "Es war ein verdientes Unentschieden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt