: Lächelnder Klotzkopf
Im Spitzenspiel der spanischen Primera Division gelingt dem FC Barcelona gegen Deportivo La Coruña mit dem 2:1 ein vorentscheidender Sieg
aus Barcelona MATTI LIESKE
Für Louis van Gaal war die Erklärung, warum sein FC Barcelona im vollbesetzten Nou-Camp-Stadion gegen Deportivo La Coruña mit 2:1 gewonnen hatte, sehr einfach. „Sie haben auch sehr gut gespielt“, gab er zu, „aber in der Defensive. Barcelona hat im Angriff sehr gut gespielt. Das war der Unterschied.“
Die Offensivkraft der Gastgeber mag kaum verwundern, verfügen sie doch mit Rivaldo, Kluivert und Figo über eine Sturmreihe, die ihresgleichen sucht im Weltfußball. 19 Tore hat der FC Barcelona in den letzten sechs Partien geschossen und allesamt gewonnen. Bis auf zwei Punkte ist die Mannschaft nun an Tabellenführer La Coruña herangerückt, nach Meinung von Kluivert auch eine Folge der heilsamen 0:3-Niederlage bei Real Madrid Ende Februar. Danach hatten sich die drei Angriffscracks frustriert zusammengesetzt, eine neue Taktik ausgeklügelt. Van Gaal akzeptierte und seither müssen Figo und Rivaldo nicht mehr strikt an der Außenlinie kleben, sondern wechseln die Positionen und tauchen häufig in der Mitte auf, während Kluivert auf die Flügel ausweicht. „So sind wir viel schwerer auszurechnen“, freut sich der Niederländer und tut kund, dass er lange nicht mehr so viel Spaß beim Fußball gehabt habe.
Gegen Deportivo war es mit dem Spaß zunächst nicht weit her. Die Verteidigungskünstler aus Galizien ließen kaum die Luft zum Atmen und diese fanden längst nicht den Platz zum Spielaufbau, den sie zum Beispiel beim 3:1 gegen Hertha BSC in der Champions League zuvor gehabt hatten. „Wenn neun Mann auf einem Streifen von 20 Metern Breite stehen, ist es schwer zu kombinieren“, meinte van Gaal, der jedoch dank seiner Angreifer bald erlöst wurde. Nahezu aus heiterem Himmel schlug Figo in der 23. Minute eine wunderbare Flanke auf den Kopf von Kluivert und es stand 1:0. „Pures Glück“, haderte Deportivos Donato später mürrisch. Kaum zehn Minuten später überlupfte Guardiola geschickt die Viererkette, diesmal überließ Kluivert Rivaldo die Ehre des Torschusses. Der Brasilianer traf dank freundlicher Mithilfe von Torwart Songo.
Zwei Tore, die trotz einiger Kalamitäten in der Abwehr und dem glücklichen Anschlusstreffer von Flavio gleich nach der Halbzeit zum möglicherweise meisterschaftsentscheidenden Sieg reichten. So sind wieder alle Kandidaten von Real Madrid über Zaragoza bis Alavés im Rennen. Die augenblickliche Form spricht neun Spieltage vor Saisonschluss klar für Barçaden „Giganten, der erwacht ist“ (Irureta). „Viel besser“, seien die Katalanen im Vergleich zur Hinrunde, lobte Javier Irureta, der die „größere Effizienz“ auf Seiten des FC Barcelona sah.
Er muss sich allerdings langsam fragen lassen, was sich viele in Spanien schon lange fragen. „Wie kann eine Mannschaft Meister werden, die nur im eigenen Stadion punktet?“ Seit dem 13. Dezember hat Deportivo nur einen einzigen Auswärtszähler geholt und auch im Nou Camp agierte das Team phasenweise wie die Pampers-Kicker aus Leverkusen bei den Münchner Bayern. Nervös, ängstlich, mit absurden Fehlern, ohne Kraft in der Offensive, wo man sich vorwiegend auf die Kunstfertigkeit und Finesse von Djalminha verlässt.
Der Brasilianer gibt in Zeiten des Kollektivfußballs einen Spielmacher der alten Platini-Schule, sein Credo heißt Kreativität. „Fußball bedeutet nicht, dem Ball hinterherzurennen, sondern ihn zu begleiten“, sagt Djalminha, und obwohl er Maradona und Pelé bewundert, ist sein Idol bezeichnenderweise ein Basketballer: Jason Williams, der erfindungs- und trickreiche Point Guard der Sacramento Kings in der NBA.
In Spanien hat Djalminha einen natürlichen Feind: Die notorisch schwachen Schiedsrichter, die den Vielgefoulten kaum schützen. Auch gegen Barcelona musste er eine Viertelstunde vor Schluss nach einem Tritt von Frank de Boer ausgewechselt werden, was ihn nicht hinderte, nach Spielschluss minutenlang mit dem Schiedsrichter über ausgebliebene Elfmeter- und sonstige Pfiffe zu debattieren.
Doch nicht die Schiedsrichter sind schuld daran, dass Deportivo La Coruña ein weiteres Mal kurz vor Schluss die Puste auszugehen droht, sondern es ist die gewachsene Stärke der Konkurrenz gegen Ende einer Saison, die als die merkwürdigste seit Jahren gilt. Bizarre Punktverluste der großen Klubs hatten Teams wie Rayo Vallecano oder Alavés nach oben gespült und La Coruña trotz aller Auswärtsschwäche zeitweise einen riesigen Vorsprung beschert.
Nun sieht es so aus, als würde am Ende doch alles wieder auf das Duell Barçea - Real hinauslaufen. „Die Aussichten sind gut“, konstatierte Louis Van Gaal, und fast meinte man, ein zartes Lächeln beim niederländischen „Klotzkopf“, wie er in Barcelona nicht unbedingt liebevoll genannt wird, zu erkennen. Aber das wird wohl nur eine optische Täuschung gewesen sein.
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