piwik no script img

Lachkultur und Lachtheater

■ Gelächter als „revolutionärster Affekt der Massen“

Seit einigen Jahren bereits spielt Persönliches in der Erwartung an Theater bei uns eine größere Rolle. Stücke über zwischenmenschliche Konflikte interessieren stärker. Lachtheater ist beliebt. Es behandelt meist Geschichten mehr privaten Charakters. In der Bühnenpraxis wird aus der Vielfalt der Theaterkunst auf Themen und Mittel zurückgegriffen, die in den 50er Jahren nicht den anvisierten Höhen der Kultur zu entsprechen schienen. Aufgegebene oder stark zurückgedrängte Autoren, die unter dem Etikett Boulevardtheater bereits einmal als erledigt galten, passen zu den neuen Ansprüchen des Publikums bei uns in den 80er Jahren! Andere Theaterkulturen hatten, anders als unsere, den Harlekin, den Pierrot, den Clown nie ausgetrieben. Nicht bei allen Theoretikern gehören das Lachen und das Niedere zusammen. Es gibt die erfrischenden Gedanken zur Lachkultur von Michail Bachtin. Walter Benjamin spricht vom „Gelächter als dem zugleich internationalsten und revolutionärsten Affekt der Massen“. Wir sollten die in Theorie und Praxis des deutschen Theaters tradierte Wertskala, nach der das Lachen als niedrig gilt, souveräner fallenlassen. Karl–Heinz Müller (Gekürzt aus: Theater der Zeit, Heft 1/1987)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen