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Labour ist mein, jetzt müßt ihr mich wählen!

Parteitag der britischen Labour: Eine Akklamationsgala für Tony Blair und seine Visionen  ■ Aus Blackpool Dominic Johnson

Im Oberdeck eines Londoner Busses der Linie 57 unterhalten sich ein paar Schuljungen über Euan Blair. „Wie ist er denn so?“ wird einer ausgefragt, der auf dieselbe Schule geht wie der elfjährige Sohn des britischen Labour-Führers Tony Blair. „Ach, der gerät andauernd in Schlägereien“, erzählt der Schulkamerad und berichtet von Wachleuten und Videokameras, die den kostbaren Zögling rund um die Uhr schützen. „Und als einer der Älteren sich überlegte, wie man den mal beklauen könnte, mußte er sofort zum Schuldirektor.“

Euan Blair geht auf die „London Oratory“, eine katholische Privatschule im vornehmen Londoner Stadtteil Fulham. Eigentlich widerspricht es immer noch den Grundsätzen der Labour-Partei, das eigene Kind dem staatlichen Gesamtschulwesen zu entziehen. Aber jetzt hat der Labour-Chef – und nach seinem Beispiel auch die Labour-Sozialsprecherin Harriet Harman – diesen Grundsatz durchbrochen, wohl frei nach dem Motto „Eine hundertprozentige Erfolgsgesellschaft“, das vor einigen Tagen aus dem Labour- Hauptquartier ertönte.

Alte Gewerkschafter gegen den Hüpfer Blair

Unter Labour soll jeder Erfolg haben. Vor allem Tony Blair. Der macht es dann vor. So läuft auch der Jahresparteitag der Oppositionspartei ab, der gestern im nordwestenglischen Badeort Blackpool begann. Blair will dem Land auf diesem letzten Parteitag vor den nächsten Wahlen zeigen: Seht her, ich habe es geschafft. Labour ist mein. Jetzt müßt ihr mir vertrauen und mich wählen. Damit die Delegierten das auch verstehen, zeigt ihnen die Parteiführung dieses Jahr zum ersten Mal Videofilme, auf denen das 21. Jahrhundert ausgerufen wird. „Eine neue Ära, ein neues Jahrtausend“ heißt der erste von ihnen, den die Presse am Sonntag abend bestaunen durfte. Von ganz fürchterlichen globalen Herausforderungen ist die Rede, und Blair erscheint als eine Art Herkules im Augiasstall. Labour macht die Leute reich und glücklich, Großbritannien wird „wieder stark“.

Nun gibt es leider noch andere Labour-Politiker als Tony Blair, und die sehen das alles zuweilen anders. Altgediente Gewerkschaftsführer zum Beispiel, die noch immer die Hälfte der Delegiertenstimmen auf dem Parteitag in Vertretung ihrer an Labour gebundenen Organisationen kontrollieren, sind sich nicht so sicher, ob Blairs Erfolg auch der ihre ist. Vor drei Wochen tagte hier der Jahreskongreß des britischen Gewerkschaftsdachverbandes TUC, und da war viel Ärger über Blairs New Labour zu vernehmen: Sie unterstütze weder die Forderung nach einem Mindestlohn, noch wolle sie Thatchers Antigewerkschaftsgesetzgebung rückgängig machen, sie distanziere sich von den aktuellen Streiks bei Post und Bahn und werde wankelmütig in ihrem Versprechen, die britische Nichtteilnahme an der EU-Sozialgesetzgebung zu beenden. Damals plapperte ein Labour-Politiker sogar beim Abendessen mit Journalisten aus, was man vor einer Wahl nicht sagt: Labour solle seine historischen Bindungen an die Gewerkschaftsbewegung brechen.

Da es aber gar nicht gut aussieht, wenn im Fernsehen bullige Arbeiterführer junge Hüpfer wie Blair des Verrats bezichtigen, hat die Labour-Führung im Vorfeld des Parteitages zu einem altbewährten Mittel gegriffen: Bei privaten Treffen mit den Gewerkschaftern wurden alle Streitpunkte soweit geklärt, daß sie eine Woche lang ruhen können. Forderungen, die Blair in Verlegenheit bringen könnten, kamen außerdem zum großen Teil gar nicht erst auf die Tagesordnung. Systematisch stellte sich die Parteiführung gegen alle Resolutionsentwürfe von der Basis, die eine Abschaffung konservativer Gesetze forderten. Lästige Debatten werden so vermieden. Ein bißchen Basisunmut wird durchkommen, damit es demokratischer aussieht und die Führung sich medienwirksam von der Linken distanzieren kann. Aber insgesamt steht dem Parteitag als Akklamationsgala nichts im Wege. Die genehmigten Resolutionen enthalten Formulierungen wie: „Die Konferenz unterstützt Tony Blairs Vision einer neuen Art von Politik und einer neuen Beziehung des Vertrauens zwischen Regierung und Volk.“

Eine Gegnerfront ist noch nicht abgefertigt. Eine Gruppe militanter Rentner, angeführt von dem pensionierten TUC-Chef aus den 70er Jahren, Jack Jones, und einer Labour-Baronin aus dem Oberhaus, plant einen Generalangriff. Sie will, daß Labour sich wieder dazu verpflichtet, die staatliche Grundrente an die allgemeine Lohnentwicklung zu koppeln. Thatcher hatte das einst abgeschafft und damit die Grundrente verkümmern lassen, Labour hatte die letzte Wahl verloren, als die Tories das Oppositionsversprechen zur Restauration der Lohnbindung den Wählern als heimliche Steuererhöhung verkauften. Blair will diesmal eine kostenneutralen Wahlkampf führen und daher dem Sturm der Alten auf jeden Fall widerstehen. Er wird statt dessen die Labour-Verpflichtung zum Ausbau des Bildungswesens hervorheben, nach dem Motto: Lieber in nachwachsende Generationen investieren als in aussterbende.

Ob das soweit geht, daß bei der Schulsuche alle Eltern dem Beispiel von Blair folgen dürfen? Damit jeder in Blackpool begreift, worum es geht, hat der Labour- Chef rechtzeitig zum Parteitag seine gesammelten Reden veröffentlicht. „Neues Britannien – Meine Vision eines jungen Landes“ lautet der Titel. Die Alten dürfen schmollen.

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