: LIES!-KAMPAGNE
■ Schaufensterempfehlungen in „Wiens Laden & Verlag“
Ausgewählte Belesene der Stadt werden gebeten, ein Buchgebinde zusammenzustellen. Dieses kann man dann im Laden angucken und kaufen. Das Gebinde ist so bemessen, daß man es im Vierteljahr mit Durchlesen schafft. Dann kommt nämlich der nächste Belesene mit seinem Quartalsabschnitt. In diesem Quartal hat T. Kapielski vier Bücher ausgesucht. „Für ein Buch braucht man zwei Monate, fürs andere drei Wochen, fürs nächste sechs Tage und fürs letzte einen.“ So Kapielski. „Man muß aber nicht auslesen!“ Ergänzt Barbara Wien. Weil sie hat auch noch andere Bücher vorrätig.
„Ich stelle mal der Dicke nach meine Handexemplare mit einem mir gehörigen Elefantenbuchständer ins Fenster. Der Elefant als Blickfänger, die Handexemplare aus mehreren Gründen: damit ein jeglicher glauben mag, daß ich die Dinger überhaupt gelesen habe; aber weil es auch 'Vergriffenes‘ darunter gibt und Taschenbuchausgaben.
Wir haben links von Michel Serres 'Der Parasit‘. Seinerzeit hätte ich es beinahe nicht gekauft, weil es so Scheiße aussieht. Nachdem ich es gelesen hatte, war auch klar, daß dieses Kackbraun ganz und gar nicht zum Buch paßt. Graublau gekrisselt würde ich vorschlagen. Seit '81 rate ich Freunden zum 'Parasiten'; Preis und Kackbraun waren Garant einer klandestinen Vereinzelung des schönen Textes. Nun aber kommt das Suhrkamp-Taschenbuch dunkelblau mit gelber Schrift daher und macht alles nur noch schlimmer: Farbe wieder Scheiße, schlimmer noch die Reihe, welche wohl hin und wieder Gutes bietet, aufs komplette Regal hin betrachtet aber den Knüller weiträumig mit akademischen Trockenpflaumen und Abeklern verkantet. Und noch schlimmer: vor kurzem von 'Zitty‘ empfohlen. Ich wollte es schon zurückziehen, man berühigte mich: „War doch nur 'Zitty‘, hätt‘ doch 'Tip‘ sein können!“ Um Gottes Willen! Versucht diese Schikanen um das Buch herum durch seine Lektüre zu begreifen.
A propos 'Sünde am Buch‘: Wie man sieht, pflegte ich seinerzeit die Unsitte, 'wichtige Stellen‘ vermittels Ecke umknicken zu markieren. Sieben Jahre später für hier alle wieder mühselig glattgebügelt.
Rechts daneben Jörg Schröders 'Cosmic‘ von '82. Schlag aufs Haupt alternativer Lebensart. Vergriffen, wie manch heute erst als wertvoll empfundenes März-Buch. Deshalb bieten wir hier einen Restposten 'Siegfried‘ an! Auch vergriffen! Wir ham aber noch!
Anschließend Robert Gernhards 'Glück Glanz Ruhm‘ aus dem irgendwiewowas unsympathischen Haffmansverlag. Heiter bis ulkig. Kunsttheorie der dritten Art.
Schließlich Die moderne Hausfrau mit vielen Farbphotos, künstlichen Gebilden, eindringlicher Sprache und umsonst!Hier aber auch eine üppige und eine dünne, aber kompakt-komprimierte Ausgabe. Alles komplett und verschiedenst kombiniert dann in Wiens Laden zum Abholpreis mit Tüte erhältlich.
Gruß, T.K.
Wiens Laden, Goethstraße 73 (Ecke Schlüter), Di-Fr 13-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr.
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