LESERINNENBRIEFE :
Hinkender Vergleich
■ betr.: „Das Recht zu schießen“, taz vom 25. 1. 13
Warum eigentlich vergleicht Johannes Thumfart die Anzahl der Toten durch Feuerwaffen in den USA mit der dortigen Anzahl der Toten durch Lungenkrebs und Herzgefäßkrankheiten statt mit der Anzahl der Toten durch Feuerwaffen in Westeuropa, Kanada oder Australien? HEINZ-HERMANN INGWERSEN, Neumünster
Na, das klingt ja toll
■ betr.: „Das Recht zu schießen“, taz vom 25. 1. 13
Es mag ja sein, dass in der amerikanischen Gesellschaft das Recht, eine Schusswaffe zu besitzen, zu tragen, einen besonderen Stellenwert besitzt. Immerhin ist die amerikanische Verfassung zu einer Zeit entstanden, in der die Durchsetzung des Rechtsstaates und seiner Regeln längst nicht in allen Regionen des Landes sichergestellt war. Aber beispielsweise das Reichswaffengesetz von 1938 als Argument ins Feld zu führen, ist daneben. Was wäre wohl 1933 gewesen, wenn Sinti und Roma oder wenn ein bedeutsamer Teil der jüdischen Bevölkerung Waffen, ob erlaubt oder unerlaubt, gehabt hätte? Die Argumente der Nazis von der von den Juden (angeblich) angestrebten Weltherrschaft wären bei den Bürgern, auch bei denen, die den Nazis nicht positiv gegenüberstanden, noch stärker auf fruchtbaren Boden gefallen. Vielleicht hätte sich der ein oder andere mit der Waffe wehren können, aber hätte das auch nur einen einzigen vor der Ermordung beschützt?
„Der Passus lieferte eine Legitimation des Unabhängigkeitskrieges“, na, das klingt ja toll. Nur dass es in ebendiesem Unabhängigkeitskrieg auch um das Recht auf „Sklavenhaltung“ ging. Die Sklaven konnten sich in ihren Freiheitsbestrebungen offenbar nicht auf dieses Recht, Waffen zu tragen, berufen. Ganz im Gegenteil, nicht selten wurde ein unschuldiger Schwarzer für die Tat eines Weißen gehängt, von Waffen tragenden Bürgern mit weißen Kapuzen über dem Kopf. Wenn er sich mit Waffengewalt vor der Ermordung durch Lynchjustiz retten konnte, hatte er durch seine „Notwehr“ der Justiz noch den Grund geliefert, ihn nun aber nach Recht und Gesetz zu erhängen.
Wie viele mehr Waffen würden die Rechtsradikalen und Neonazis in unserem Land kaufen und „tragen“, wenn der Waffenbesitz nicht relativ streng reguliert wäre? Bei aller Staatskritik: Ich bin für ein staatliches Gewaltmonopol. HARTMUT KLEIN-SCHNEIDER, Köln
Macht kommt aus Gewehrläufen
■ betr.: „Das Recht zu schießen“, taz vom 25. 1. 13
Schon die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, bei gleichzeitigem Aufbau eines hocheffizienten Überwachungssystems und einer mit modernster, Waffen-und Nachrichtentechnik ausgerüsteten Prätorianergarde (SEK, GSG 9, KSK usw.) muss jedem halbwegs phantasievollen Bürger zu denken geben. Wenn jetzt mainstreammedia und die üblichen Betroffenheitsonkels und -tanten faktisch eine Abschaffung des ohnehin eingeschränkten Bürgerrechts, Waffen zu besitzen und sich im Umgang mit ihnen zu üben, fordern, sollten sie sich fragen, wer denn mit welchen Mitteln für ihr Leben, ihre Freiheit und dieses Gemeinwesen eintreten soll, wenn es mal wieder einem zu allem entschlossenen Psychopathen gelingen sollte, die sogenannten Sicherheitskräfte für seine antidemokratischen Ziele zu instrumentalisieren. Ich persönlich würde mich wohler fühlen, wenn ein paar mehr gestandene Demokraten wüssten, wie man mit einem Sturmgewehr umgeht, zumal der Trend, zunehmend unkontrollierbare Privatarmeen (faktisch Söldnertruppen) mit Hoheitsbefugnissen zu versehen, aus den USA wahrscheinlich früher oder später auch Europa erreichen wird. Dass, ob man es will oder nicht, alle Macht aus den Gewehrläufen kommt, scheinen unsere Vorzeigedemokraten im Berliner Raumschiff, anders als die Jungs von der Wehrsportgruppe, vergessen zu haben. MARTIN MENGES, Dorndorf
Misstrauen gegen Knarrengeile
■ betr.: „Das Recht zu schießen“, taz vom 25. 1. 13
Werter Herr Thumfart, Ihr Misstrauen gegen den Staat in allen Ehren – aber warum sollte ich ausgerechnet jemandem, der geil auf eine Knarre ist, „in Fragen von Leben und Tod vertrauen“? Da vertraue ich doch lieber darauf, dass die Polizei mein Leben schützt – und zwar vor Ihnen und Ihresgleichen. KLAUS BAILLY, Solingen
Revolutionen ohne Waffengewalt
■ betr.: „Das Recht zu schießen“, taz vom 25. 1. 13
Die Weimarer Republik hatte sehr unter den Massen an bewaffneten Ex-Soldaten zu leiden, die für bürgerkriegsähnliche Zustände sorgten. Einige der erfolgreichsten Revolutionen sind ohne Waffengewalt von Seiten der Protestler ausgekommen, man denke an den Herbst 1989 in Deutschland, das Ende des Kommunismus in Polen, der Apartheid in Südafrika oder der Kolonialzeit in Indien. Dass das Waffenrecht in den USA historisch Sinn gemacht hat, das stimmt sicher. Dass es jetzt aber auch für eine der höchsten Mordraten verantwortlich ist, für Bürgerwehren die an der mexikanischen Grenze Jagd auf illegale Immigranten machen und einer Gesellschaft dessen Politiker bei Konflikten zu oft und früh auf Gewalt setzen, muss aber auch gesehen werden. Der Besitz von Waffen hat ja in vielen Teilen der USA Ausmaße angenommen, die man nun wirklich nicht mit ruhigen Gewissen für gut erklären kann. Selbst wenn man es nur mag, immer gegen den Mainstream zu revoltieren.
MARKUS MEISTER, Kassel