LESERINNENBRIEFE :
Herder im Kontext der Zeit
■ betr.: „Herder lebt“, taz vom 23. 9. 10
Ist das jetzt provokativ oder ignorant? Mit der Überschrift wird suggeriert, Sarkozy setze in gerader Linie Johann Gottfried von Herders Ideen um. Damit stellt er aber die Dinge auf den Kopf. Schade, dass selbst der Philanthrop Herder mit seinem Weltbild noch nicht so „aufgeklärt“ war wie William Totok heute. Aber man muss solche Werke doch wohl immer im Kontext ihrer Zeit lesen, und da war Herder seinen Zeitgenossen weit voraus. Wo stünden wir (und William Totok) denn heute ohne die Aufklärung? WOLFRAM ROGER, Bremen
Verkeimt durch Antibiotika
■ betr.: „Sie ahnten nichts Böses“, taz vom 21. 9. 10
Tatsächlich ist der multiresistente Staphylococcus aureus ein Problemkeim, und ein typischer für Krankenhausinfektionen.
Es handelt sich aber nicht um einen Keim, der durch mangelnde Desinfektionsbereitschaft von Chefärzten entstanden ist und übertragen wird, sondern durch den unkritischen, unsachgemäßen Gebrauch von Antibiotika: zu schnell angewandt, zu kurz angewandt. Dadurch konnte der Keim die Multiresistenz erwerben, und nicht durch unsachgemäße Desinfektion. Deswegen ist er in den Niederlanden 15-mal seltener – unsere Nachbarn sind vor allem in den Praxen erheblich zurückhaltender mit der Anwendung von Antibiotika als wir.
Eine MRSA-Sepsis oder Meningitis ist in Deutschland meldepflichtig beim Gesundheitsamt und wird nicht vertuscht. Viele Krankenhäuser haben sich in Landesinitiativen zusammengeschlossen, um die Pingpong-Kontamination durch MRSA zu reduzieren – hier gibt es allenfalls Datenschutzprobleme. Zertifizierte Krankenhäuser dokumentieren den Verbrauch von Handdesinfektionsmitteln pro Abteilung und führen regelmäßige Kontrollen durch, so auch das Krankenhaus, in dem ich arbeite. MARKUS JUNGEHÜLSING, Michendorf
Weiser Großer Kurfürst
■ betr.: „Ein gefährlicher Fehler“, Leserinnenbrief vom 24. 9. 10
Der Große Kurfürst hatte weise Berater, die den Zuzug der Réfugiés aus Frankreich ermöglichten. Ebenso weise war seine Entscheidung, die Zuwanderer nicht gleich der Zwangsbeglückung mit der deutschen Sprache auszusetzen. Sicher wusste er genau, dass die Réfugiés in einer neuen und fremden Umgebung allein aus wirtschaftlichen Gründen sich die Landessprache aneigneten.
Meine eigene hugenottische Familiengeschichte zeigt, dass seit der Auswanderung meines Urahnen mütterlicherseits aus Assis-sur-Serre (1699) bereits in der dritten Generation nach der Auswanderung (1755) eine Integration voll gelungen war. Das beweist die Heiratspolitik meiner Vorfahren und die Einbindung in öffentliches Leben, zum Beispiel Kirche in Hessen-Nassau (Pastorat). Der französische Familienname blieb bis heute. Mein Großvater war Preuße laut Staatsangehörigkeitsurkunde. Zu seiner Zeit war Integration sicher ein Fremdwort. UWE WOLFF, Berlin
Hausarbeit ist auch Arbeit
■ betr.: „Parallelgesellschaft Mütter“, taz vom 24. 9. 10
Sie schreiben unter dem Bild zum Artikel, dass „viele Mütter lieber arbeiten würden, fänden sie denn einen Job“. Ich bin ein Mann (53), der stets Hausarbeit und Kindererziehung wertgeschätzt und durchaus als „Arbeit“ wahrgenommen hat, sie eben auch entsprechend durch eine Rolle als „Alleinernährer“ meinen Stiefkindern und Schwiegereltern zugute gefördert habe. Man möge doch bitte nicht Hausarbeit, Kindererziehung und Altenpflege in dieser Form abwerten, so als sei allein geldwert entgoltene (oft völlig entfremdete) Erwerbstätigkeit akzeptabel, erstrebenswert und „wertvoll“. „Arbeiten“ ist mehr und was ganz anderes als Geldverdienen. Bitte, liebe taz, achte auf diese Feinheiten. HUBERT LAMBERTI, Andernach