LESERINNENBRIEFE :
Zuerst „Frieden“ sagen
■ betr.: „Wer zuerst ‚Frieden‘ sagt, hat gewonnen“, taz vom 12. 5. 14
Hallo Herr Reinecke, ist die „Verkürzung“ auf die Forderung nach einer konsequenten Friedenspolitik wirklich so falsch? Ich glaube, nichts hat die Welt nötiger. Vielleicht nur noch, konsequent endlich etwas gegen 56 Millionen jährliche Hungertote zu tun. Und gegen die ökologische Verwüstung unseres Planeten. Gegen diese drei Bekenntnisfahnen habe ich gar nichts. Ich würde da vielmehr gern ein wahres Flaggenmeer sehen. Und das eine geht nicht ohne das andere und gehört daher zusammen. Niemand sollte in ein öffentliches Amt gewählt werden, der nicht dafür steht. In keiner Partei. In keinem Verein. In keiner Kommune. In kein Parlament. Und auch nicht in den Vorstand, in die Führung eines Unternehmens. Was wären das für schöne Zeiten, in denen alle gewinnen, die (zuerst) Frieden sagen. Es gab Zeiten, da sahen das Grüne und taz ähnlich. STEPHAN KRÜGER, Wedel
Gegebene Verhältnisse ändern
■ betr.: „Zu wenig Wachstum“, taz vom 7. 5. 14
Ich kann sie wirklich nicht mehr hören (oder lesen): die unkommentierte These vom nötigen jährlichen Wirtschaftswachstum um 2 Prozent, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Von der taz hätte ich mehr kritische Reflexion erwartet. 2 Prozent jährliches Wachstum bedeuten in 30 Jahren eine Verdopplung des Bruttosozialproduktes – und in 300 Jahren eine Vertausendfachung! Nun gut – dann leben wir alle nicht mehr, und vielleicht haben bis dahin wieder ein paar Weltkriege für Ausgleich gesorgt. Aber die These einfach unhinterfragt wiederzugeben, geht gar nicht. Ich mache mal einen Formulierungsvorschlag: „Wahrscheinlich trifft es zu, dass unter den gegebenen Verhältnissen ein Wachstum unter 2 Prozent zu Problemen führt. Dann sollten wir schleunigst darangehen, die gegebenen Verhältnisse zu ändern!“ ROLAND RÖSSLER, Bielefeld
Unselige Wortherkunft
■ betr.: „Die Alibi-Jüdin“, taz vom 12./13. 4. 14
Es ist zwar schon eine Weile her, dass der Artikel über „Die Alibi-Jüdin“ Gretel Bergmann kam. Darin enthalten ist leider der Begriff der Halbjuden – das nun aber ist ein Begriff, der von den Nazis erfunden wurde, um etwas zu bezeichnen, was es nicht gibt. Pervertiert noch durch die Aufteilung nach Vierteljuden. Jemand ist nach jüdischem Selbstverständnis Jude/Jüdin oder eben keine/r. Ich unterstelle euch ja keine Absicht bei diesem Sprachgebrauch – leider ist es so, dass wir diese Begriffe so unendlich oft gehört haben, dass wir die unselige Herkunft gar nicht mehr erkennen. Und deshalb wäre es schön, wenn ihr künftig darauf achtet. ANNEMARIE HAUG, Böblingen
Krampfhafte Konstruktion
■ betr.: „Fehler Polarisierung“, taz vom 6. 5. 14
Rudolf Walthers Kommentar ist trotz umfangreicher Ausführungen zum Völkerrecht nur schwer nachvollziehbar. Wie kann man zum Beispiel die demokratische Revolte auf dem Maidan als „Putsch“ bezeichnen, so als hätte das Militär die Macht übernommen? Auch die Vorstellung, dass es sich dabei um eine Sezession von Westukrainern gehandelt haben soll, ist schon sehr irritierend. Den Versuch, zu erklären, dass die Krim durch Russland gar nicht annektiert wurde und es auch angeblich gar keine militärische Intervention gegeben hat, halte ich für misslungen und auch völlig überflüssig. Putin hat die Rolle, die das russische Militär gespielt hat, im Nachhinein teilweise selbst bestätigt. Und wenn man eine Zollunion so definiert, wie es Rudolf Walther getan hat, also als Bündnis, bei dem die beteiligten Staaten auf einen Teil ihrer Souveränität verzichten, ist es eigentlich klar, dass eine solche russisch-ukrainische Vereinbarung mit einem Freihandelsabkommen mit der EU kollidieren muss und sich die grundsätzliche Frage der außenpolitischen Ausrichtung für die Ukraine stellt.
Ich sehe diese Problematik (Ablehnung des EU-Freihandelsabkommens durch die Regierung Janukowitsch) aber nicht als Ursache der Krise an, sondern höchstens als Auslöser für die Proteste. Diese richteten sich gegen das korrupte und autokratische System in der Ukraine und verlangten nach einer Demokratisierung des Landes. Sollte das tatsächlich gelingen, wäre das natürlich auch eine Bedrohung für Putin und sein russisches Oligarchensystem. Aber sie hat mit den Sicherheitsinteressen Russlands und eventuellen Nato-Truppen an seinen Grenzen nichts zu tun. Putins Regime trägt inzwischen faschistoide Grundzüge, weil man das eigene Volk bevormundet und ausraubt und ihnen dafür Nationalismus als Ersatzventil anbietet. Also warum konstruieren Linke in Deutschland krampfhaft eine Mitschuld des Westens an dieser Krise? HARTMUT GRAF, Hamburg
Politik der Machteliten
■ betr.: „Gabriel greift Freihandelskritiker an“, taz vom 6. 5. 14
Wieder ein SPD-Vorsitzender, der alles das ruiniert, was jemals in der Partei als sozial und demokratisch galt. Wie Schröder macht Gabriel die Politik der Machteliten, die an den Finanzströmen herummanipulieren, um den Lohnabhängigen immer weniger Einfluss und Einkommen zu geben. Das TTIP-Abkommen ist die beste Möglichkeit, den Einfluss von Gewerkschaften und kritischen Staatsbürgern abzuschaffen. Der Clou dabei: Auch die kleinen Landwirte und der Mittelstand, die gegen Amazon und Co konkurrieren müssen, werden in die Pleite getrieben. JOHANNES SPARK, Bremen