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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Militärfixierte Rezeption

■ betr.: „Selbstgerechter Shitstorm“, taz vom 17. 6. 14

Großer Dank für den sehr klarstellenden Kommentar von Dominic Johnson zur Empörung der „Selbstgerechtigkeit“ über jüngste Gauck-Äußerungen. Am Wochenende hatte ich mit wachsender Bestürzung verfolgt, wie tatsächliche Äußerungen des Bundespräsidenten über Spiegel Online und Nachrichten verkürzt, verdreht und skandalisiert wurden – bis zum taz-Aufmacher, der Gauck faktisch als „Kriegstreiber“ markierte. Bei der militärfixierten Rezeption wurde völlig ausgeklammert, wie ausführlich und lobend der deutsche Bundespräsident zur norwegischen Friedenspolitik („Friedensvermittlung als Markenzeichen“) gesprochen und diese als vorbildlich für Deutschland dargestellt hatte. Dominic Johnson weist als einziger Kommentator darauf hin.

Zu wünschen wäre, wenn sich der Bundespräsident in außenpolitischen Angelegenheiten unmissverständlicher ausdrücken und die berechtigte Skepsis gegenüber Militäreinsätzen positiv aufnehmen würde. In diesem Fall Gauck „Kriegsrhetorik“ zu unterstellen, läuft aber darauf hinaus, jedem UNO-Friedenseinsatz und dem schärfsten Mittel der UNO-Friedenssicherung generell eine Absage zu erteilen und die Kapitulation der Staaten-„Gemeinschaft“ vor dem Völkermord in Ruanda nachträglich zu rechtfertigen.

Insofern war es wohl auch konsequent, dass der 2. Tag des Peacekeepers am 11. Juni in Berlin, bei dem so viele aktive und ehemalige Peacekeeper zusammenkamen wie sonst nie in Deutschland, von den Medien praktisch ignoriert wurde. WINFRIED NACHTWEI, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, Münster

Fragwürdige Ziele

■ betr.: „Selbstgerechter Shitstorm“, taz vom 17. 6. 14

In dem Kommentar wird vorausgesetzt, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr und ihrer Verbündeten dem „Kampf für Menschenrechte“ dienen. Dies ist natürlich die öffentliche Begründung – tatsächlich geht es aber dabei um die Sicherung von Macht- und Einflussbereichen und die Absicherung geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen. Insofern hat Horst Köhler vor Jahren einfach nur die Wahrheit gesagt – wofür er dann seinen Hut nehmen musste. Joachim Gauck dagegen verbreitet weiter die Mär vom humanitären Auslandseinsatz „für das Überleben unschuldiger Menschen“.

Die „anderen, fragwürdigen Ziele“, die Dominic Johnson korrekterweise bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan sieht, gelten ebenso für andere Auslandseinsätze. Dass die Weltgemeinschaft seinerzeit in Ruanda nicht interveniert hat, lag auch daran, dass dort nicht viel im oben genannten Sinne zu holen war. Es geht doch bei der Kritik gar nicht um eine generelle Ablehnung des „Griffs zur Waffe“, sondern um eine Entlarvung der tatsächlich mit den Auslandseinsätzen verfolgten Ziele. Die Öffentlichkeit soll wieder verstärkt an deutsches Militär im Ausland gewöhnt werden (wie durch die Entsendung der Fregatte ins Mittelmeer). In diesem Kontext sind Gaucks Äußerungen erschreckend. ANGELIKA SCHLEPPER, Bremen

Nato und EU sind immer Partei

■ betr.: „Selbstgerechter Shitstorm“, taz vom 17. 6. 14

Sehr geehrter Herr Johnson, über die Frage von Krieg und Frieden, von Engagement und Einsatz mit friedlichen oder militärischen Mittel muss selbstverständlich diskutiert und gestritten werden.

Aber Sie selbst argumentieren zuerst mit den scheinbar einfachen „Fällen“ Zweiter Weltkrieg, Besiegung des deutschen Nationalsozialismus und Ruanda. Selbst in diesen Fällen ist es gar nicht so einfach. Denn die Alliierten haben nicht eingegriffen wegen der Vernichtung der Juden und anderer Menschen. Und aktuell zeigt die Entwicklung im Irak, wie weit ein starker militärischer Einsatz führt oder auch nicht führt. Gauck und vielleicht auch Ihnen ist vorzuwerfen, dass nicht von Beteiligung an UN-Einsätzen, sondern vor allem von EU- und Nato-Einsätzen die Rede ist. Die sind aber immer Partei! Und wo bleibt die Diskussion, ob gerade die Deutschen nicht mit anderen, friedlichen Strategien „eingreifen“ müssten. Auch nicht erwähnt wird die vielfach erlebte Strategie, dass ein erstes gut gemeintes Engagement in einen schlichten Militäreinsatz mündet, dessen Logik sich die Beteiligten kaum noch entziehen können. Da halte ich es für sehr gefährlich, die Gegner eines Militäreinsatzes als „selbstgerechte Shitstormer“ zu bezeichnen. HARTMUT KLEIN-SCHNEIDER, Köln

Gefährlicher Fahrradhelm

■ betr.: „Helm bleibt freiwillig“, taz vom 18. 6. 14

Es gibt auch Stürze, da stellt ein Fahrradhelm eine Gefahr da. Es passierte einem Bekannten ein Unfall mit Fahrrad, bei dem die hintere Helmkante dem Träger beim Aufprall auf den Boden auf die Halswirbel drückte und ihn so schwer verletzte, dass er heute querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. Von daher ist es illusorisch zu glauben, dass ein Helm ein absoluter Schutz ist. ERICH LUTZ, Freiburg

Nicht klug geworden

■ betr.: „Radler weiter oben ohne“, taz vom 18. 6. 14

Wenn Frau Sabine Lühr-Tank nach ihrem Unfall mit schwersten Kopfverletzungen jetzt immer noch ohne Helm mit dem Rad zur Arbeit fährt, muss ich feststellen, dass das Sprichwort „aus Schaden wird man klug“ in diesem Fall offensichtlich nicht zutrifft.

MICHAEL GRITTMANN, Wadgassen