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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Sprache verändert Bewusstsein

■ betr.: „IWF-Chef wegen Sex-Vorwürfen in Haft“, taz vom 16. 5. 11

Wir wissen gegenwärtig und vielleicht auch zukünftig nicht, was stimmt oder nicht stimmt. Wir wissen aber, dass Sprache Bewusstsein verändert und Bewusstsein Sprache – und damit immer auch das Sein!

Als taz-Leserin und Abonnentin erwarte ich, dass ich im Zusammenhang mit jeder Art von sexualisierter Gewalt weder Begriffe wie „Sex-Affären“, „Sex-Skandale“, „sexueller Appetit“ noch „angebliche Vergewaltigungsversuche“ zu lesen bekomme! Verharmlosung von eventueller oder tatsächlicher Gewalt und Streuen von Misstrauen durch Sprachwendungen sollte in den Redaktions- und Kommentarköpfen von taz-Journalist/innen spätestens seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts der Vergangenheit angehören!

Auch sollte bei aller Berichterstattung und all ihrer Inhalte und Formen nicht vergessen werden, dass „hinter“ Geschehnissen (bekannte/unbekannte) Frauen stehen, die diese Gewalt eventuell oder tatsächlich erleiden mussten und nie mehr im Leben loswerden! Nicht nur Unschuldsvermutungen für die Täter sollten Prämissen unseres Denken und Handelns sein, sondern stets parallel auch immer Achtung und Respekt gegenüber möglichen oder tatsächlichen Opfern und all den lebenslangen Folgen für sie!

Sprache ist eine Möglichkeit, dies zu tun – oder das gewaltvolle Gegenteil weiter als verharmlosende Norm zu manifestieren!

KATHY CZAJA, Düsseldorf

Gewalt gegen Hotelangestellte

■ betr.: „IWF-Chef wegen Sex-Vorwürfen in Haft“, taz vom 16. 5. 11

Nun ist der Herr Strauss-Kahn nicht festgenommen worden, weil er mit einem Zimmermädchen Sex hatte, wie es die Schlagzeile vermuten lässt, sondern weil eine Anzeige wegen Vergewaltigung gegen ihn vorliegt. Ersteres wäre seine Privatangelegenheit, das Zweite eine schwere Straftat. Denn Vergewaltigung hat nichts mit Sex an sich zu tun, sondern mit Gewalt. Und dann sollte nur dies in der Schlagzeile stehen. Das ist nämlich der feine Unterschied zwischen der taz und der Bild. ANTON KOCH, Unterschleißheim

Diese kleinen Schelme!

■ betr.: „IWF-Chef wegen Sex-Vorwürfen in Haft“, taz vom 16. 5. 11

Wie entlarvend ist doch Sprache. Das zeigt diese Überschrift. Dabei lautet die Anklage gegen Dominique Strauss-Kahn „Sexualverbrechen, versuchte Vergewaltigung und Freiheitsberaubung“. Was hat diese Anklage mit Sex-Vorwürfen zu tun? Es geht hier um sexualisierte Gewalt.

Die Achtung vor dem mutmaßlichen Täter wird durch Attribute wie „Chef des Internationalen Währungsfonds“ gezeigt, während bei dem Opfer – einer 32-jährigen Hotelangestellten – von einem „Zimmermädchen“ (was ist an dieser Frau ein Mädchen?) geschrieben wird. Eine erwachsene Frau, die sich gegen gewalttätige Handlungen wehren konnte. Schmunzeln wird bei einer solchen Anklage noch erzeugt durch Begriffe wie Kavaliersdelikt. Alles nicht so schlimm, wie bei Berlusconi: diese kleinen Schelme!

Wo bleibt die Würdigung der Opfer gegenüber ihrer Angst, ihrer Ohnmacht und ihren Traumata? Wenigstens die taz sollte sie bezeugen. KARIN SCHÜLER, Bonn

Es geht um Gewalt, nicht um Sex

■ betr.: „IWF-Chef wegen Sex-Vorwürfen in Haft“, taz vom 16. 5. 11

Wenn ich eine solch beschissene Schlagzeile wollte, würde ich die Bild lesen. Noch dazu ist sie inhaltlich falsch: Es geht um Gewalt und nicht um Sex. Sexualisierte Gewalt ist eine Form von Gewalt, bei der es in erster Linie um Machtausübung geht. Der Begriff „sexualisiert“ bedeutet, dass sexuelle Handlungen dazu instrumentalisiert werden, Gewalt und Macht auszuüben. ILGA SCHMITZ, Speyer