LESERINNENBRIEFE :
Altbekanntes Tabu wiederholt
■ betr.: „Aufklärung, ganz radikal“, taz vom 1. 8. 11
Ich frage mich, warum ausgerechnet in diesem Plädoyer für eine radikale, tabulose Aufklärung ein altbekanntes Tabu wiederholt und zementiert wird. Ich frage mich, warum ich im Falle von Ausgrenzung und Diskriminierung meiner Mitmenschen durch gezielt gestreute Vorurteile und haltlose Parolen nicht darauf hinweisen darf, welch schlimmes Ende solches Tun schon einmal in unserer Geschichte genommen hat. Aus der Geschichte zu lernen, heißt nun mal Vergleiche zu ziehen. Anders geht es nicht. Dabei ist es unvermeidlich, dass jeder Vergleich hinkt und dass es Menschen geben wird, die diesen Vergleich völlig ungerechtfertigt für ihre egoistischen Ziele verwenden. Aber das wird der radikal aufgeklärte Bürger dann auch ziemlich schnell durchschauen. Und ja, es sollte sogar das Ziel solcher Vergleiche sein, dass gegenwärtige und zukünftige Diskriminierungen gegen wen auch immer im Vergleich zum Naziterror an den Juden harmlos enden. Eine Verhöhnung der Opfer wäre es, nicht aus der Geschichte zu lernen. RALF BÖHM, Berlin
Volksolympiade verschwiegen
■ betr.: „Sport macht Nazis“, taz vom 3. 8. 11
Wer eine ganze Seite füllt zu den Spielen 1936 in Berlin und mit keiner Zeile auf die geplante Protestveranstaltung, die Volksolympiade im Barcelona der Spanischen Republik eingeht, hat definitiv seine Hausaufgaben nicht gemacht! Noch am 6. und 7. Juni 1936 fand in Paris eine Konferenz zur Verteidigung der Olympischen Idee statt.
Nach den deutschen Rassegesetzen vom September 1935 hatte sich insbesondere in den USA eine breite Protestbewegung formiert mit dem Ziel, die Spiele in Berlin zu boykottieren. Für die Teilnahme an der Protest-Olympiade im Republikanischen Spanien hatten sich 6.000 AthletInnen aus 22 Ländern angemeldet. Zum Vergleich: In Berlin sprach man mit 49 teilnehmenden Nationen und 3.961 Athleten von einem Teilnehmerrekord. Die Volksolympiade war eine weltweit bekannte und großartige Idee, um die heftig gerungen wurde. Sie musste abgebrochen werden, da am Eröffnungstag das Militär in Barcelona gegen die gewählte Regierung putschte. Etwa 200 SportlerInnen blieben im Land, schlossen sich den Internationalen Brigaden an und kämpften für den Erhalt der Spanischen Republik. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde um eine Idee, nicht um ein Vaterland gekämpft. Dass vom beginnenden spanischen Bürgerkrieg und dem Boykott Spaniens und der Sowjetunion im faschistischen Berlin nicht gesprochen wurde, liegt auf der Hand. Dass auch 75 Jahre später darüber geschwiegen wird, ist unerhört.
MARIANNE LINK, Heidelberg
Noch mehr Verkehr und Busunfälle
■ betr.: „Freie Fahrt für Fernbusse“, taz vom 4. 8. 11
Nun können wir uns also auf noch mehr Verkehr, Staus und schwere Busunfälle auf den Autobahnen einrichten. Anstatt die Bahn attraktiver zu machen und so den Menschen eine gute Reisemöglichkeit zu bieten, wird genau das Gegenteil getan. Die Rechnung, Busverkehr sei ökologischer als Fahrten mit dem Pkw, wird ins Leere gehen, denn es werden keine Pkw-Fahrer in den Bus geholt, sondern nur der Bahn Fahrgäste genommen. Ökologisch und verkehrspolitisch ist dies der totale Offenbarungseid. STEFAN BLUEMER, Mülheim an der Ruhr
Gesellschaftliche Akzeptanz fehlt
■ betr.: „Gewichtsbonus für Geländewagen“, taz vom 4. 8. 11
Das gute Abschneiden bei der Effizienzkennzeichnung von Kraftfahrzeugen im sogenannten Premiumsegment zeigt klar auf, wo der politische Hammer hängt: Herr Wissmann als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Automobilindustrie, ehemals Bundesminister für Forschung & Technologie und für Verkehr und bekennender Kernkraftfreund, hat eben seine Lobbyschulaufgaben sehr gut gemacht. Alle Umwelt- und ökologisch angehauchten Verkehrsverbände haben ihre Botschaften nicht platzieren können. Da fehlt es nicht nur an Überzeugungsleistung, sondern offensichtlich auch an gesellschaftlicher Akzeptanz. WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen
Ist der Kapitalismus am Ende?
■ betr.: „Die Tea Party hat eingeschenkt“, u. a, taz vom 2. 8. 11
Die USA sind zwar vorerst gerettet, aber das ganze Dilemma hat eindrucksvoll gezeigt, wie abhängig der Kapitalismus in puncto Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum von den Banken und Ratingagenturen und der größten Volkswirtschaft der Erde, den USA, ist. Die Banken werden bei einer hohen Staatsverschuldung unweigerlich zu Kredithaien und die Ratingagenturen zu den Totengräbern, weil sie das Ende des Kapitalismus mit der Herabstufung von Schuldenländern auf Ramschniveau selber bestimmen können. Dabei haben wir Steuerzahler kurioserweise die angeblich systemrelevanten Banken bei der letzten Finanzkrise vor dem endgültigen Aus gerettet. Das ist nun der Dank dafür.
Nach Griechenland, Irland und Portugal verschärft sich die Euro-Krise explosionsartig, weil auch Italien, Spanien und Zypern ins Fadenkreuz der Ratingagenturen geraten sind. Ist der Kapitalismus am Ende? Der Fall Griechenland (Kreditzins 15,1 %) beweist, dass Sparen allein die Probleme des Kapitalismus nicht lösen kann. Wir brauchen dringend eine weltweite Reform des gesamten Bankenwesens und der Ratingagenturen, die allzu willkürlich schalten und walten können, wie sie es wollen. ROLAND KLOSE, Bad Fredeburg