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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Wenig geistreicher Vergleich

■ betr.: „Wer gibt zuerst auf?“ u. a., taz vom 29. 8. 11

Der Vergleich zwischen Gaddafi und Westerwelle ist schon interessant gestaltet. Allerdings ist die Verknüpfung zwischen der Position des Friedens im Sinne der Nichteinmischung Deutschlands in den Libyenkonflikt mit dem Amt Westerwelles auch in Bezug auf die Steuersenkungsdebatte wenig geistreich. Wie würde die taz über die Bundesregierung schreiben, wenn sie jetzt doch in den Libyen-Konflikt eingreifen würde? Ist durch die vergangenen militärischen Interventionen in solchen und ähnlichen Krisengebieten nicht das Fazit zu ziehen, dass eine Einmischung der westlichen Welt jenseits von humanitärer Aufbauhilfe auf lange Sicht keine gesellschaftlichen Erfolge erzielt? Im konkreten Fall mag Gaddafi nahezu besiegt sein, aber sind es die Strukturen auch? Friedliche Veränderungen können nur von den Libyern selbst in Angriff genommen werden, und Krieg sollte kein Mittel sein, um Frieden zu erreichen. Nun hat die Bundesregierung einmal die richtige Position, die Position für den Frieden eingenommen – aus welchen Gründen auch immer –, schon stürzen sich Medien wie die taz darauf, und es ist auch wieder falsch. Am Ende kommt es nicht auf die Person an, wer zuerst aufgibt, ob Gaddafi, Westerwelle oder sonst wer, sondern es kommt auf die Position an, die den Frieden bringt und auch morgen noch Bestand haben kann. FRANK FORSTER, Völklingen

Zu weit gegangen

■ betr.: „Wer gibt zuerst auf?“, taz vom 29. 8. 11

Wem auch immer im taz-Redaktionsteam diese Überschrift eingefallen ist, hat sich damit einen Preis für journalistische Geschmacklosigkeit verdient. Ich bin weder Anhänger eines Guido Westerwelle noch der FDP, aber diese vergleichende Gegenüberstellung mit einem, gegen den vom Internationalen Gerichtshof Haftbefehl erlassen wurde, ist weder originell noch witzig. Hier gehen Sie deutlich zu weit. CHRISTOPH SCHMIEDEBACH, Wulfsen

Mut, Tüchtigkeit, Erbarmen fehlen

■ betr.: „Mechanismen der Eskalation“, taz vom 25. 8. 11

Internationale Finanzmärkte organisieren sowohl die Plünderung ganzer Gesellschaften als auch einzelner Firmen. Diesem „Vorbild“ folgen die männlichen und weiblichen Plünderer der Londoner Krawalle und verbleiben in derselben materiellen wie Verhaltenslogik. Sie nehmen, was zu nehmen ist, und gehen insbesondere an die schwachen kleineren Geschäfte. Heitmeyers Analyse der Krawalle möchte ich deshalb um drei Erklärungskategorien erweitern: Mangel an Mut, Mangel an Tüchtigkeit, Mangel an Erbarmen.

Polizei und Politik zeigen in ihrem staatlichen Handeln einen Mangel an Mut zur Aufklärung eines Tötungsdeliktes durch die Polizei. Die andere Seite hat einen Mangel an Geld, Bildung und Kontakten, um die Aufklärung und Ahndung mit anwaltlicher Hilfe und gerichtlich durchzusetzen. Leere Wut im Bauch und die immer präsente Gier nach Konsumgütern bringen das Fass zum Überlaufen und führen zu offener Aggression, die sich gegen Schwächere richtet. Staatlicherseits wird ein Mangel an Tüchtigkeit und Kompetenz vorgelebt, denn auch die politische und wirtschaftliche Elite giert nur nach Luxusgütern und ist nicht kompetent und ehrlich genug, ein Gemeinwesen überzeugend zu führen. Drittens erschlagen die Finanzmärkte ganze Volkswirtschaften und führen Jugendliche und Erwachsene erbarmungslos in die Arbeitslosigkeit. Ebenso überrollen die Plünderer erbarmungslos drei Pakistaner, die sich ihnen entgegenstellen, um ihr Viertel und ihre kleinen Geschäfte zu schützen.

MARTINA KEILBART, Bielefeld