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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Sauberes Bett, schimmlige Wand

■ betr.: „Das System muss harmonisiert werden“, taz vom 18. 11. 11

Die von Frau Reichstein geforderte Harmonisierung des „Asylsystems“ entlang der BRD-Standards wäre eine Katastrophe. Meldungen über mangelhafte sanitäre Verhältnisse und fehlende medizinische Versorgung seien in Deutschland „undenkbar“?

In Remscheid, NRW, starb der Flüchtling Mohammed Sila, weil ihm ärztliche Versorgung verweigert wurde. In Gerstungen, Thüringen, starb erst vor zwei Monaten der Flüchtling Michael Kelly im Flüchtlingslager, obwohl die Behörden um seine Erkrankung wussten. Und dass Kinder in deutschen Lagern vielleicht saubere Betten, dafür aber verschimmelte Wände haben, wissen mittlerweile sogar der Bayerische Rundfunk und die ARD, liebe taz.

Davon abgesehen ist die „Harmonisierung“ des rechtlichen Rahmens ein Horrorszenario, weil sich Deutschland erfahrungsgemäß auf EU-Ebene immer durchzusetzen weiß. Dies würde bedeuten, dass Apartheidgesetze wie die Residenzpflicht, die Flüchtlingen bis heute vierstellige Geldstrafen oder Gefängnisstrafen für das wiederholte Übertreten von Landkreisgrenzen beschert, EU-Standard würden. CLEMENS WIGGER, Jena

Solche Meldungen sind denkbar

■ betr.: „Das System muss harmonisiert werden“, taz vom 18. 11. 11

Woher nimmt die Autorin die Erkenntnis, dass „in Deutschland solche Meldungen undenkbar“ seien? Nur weil im Gesetz steht, dass Asylbewerber ein Recht auf medizinische Versorgung und weitere wichtige Güter haben, muss das nicht mit der Realität übereinstimmen. Wieso demonstrieren denn immer wieder Bewohner von Flüchtlingsheimen gegen den Umgang des Staates mit ihnen? Wohl kaum, weil es ihnen hier so gut geht und sie ausreichend versorgt sind. LOTTE BLUMENBERG, Berlin

Erstaunt über das Erstaunen

■ betr.: „Der Staat, der Terror und die Partei“, taz vom 18. 11. 11

Ich bin erstaunt über das Erstaunen – bei Politik, Verfassungsschutz und Medien. Die Neonazis wollen die BRD hinwegfegen und Gewalt anwenden; so ist es in aktuellen Webblogs deutlich zu lesen! Na so was auch. „Laßt uns die Bullenschweine so lange aufs Maul hauen bis außer Blut nichts mehr zu sehen ist. Ich rufe alle Geraer Kameraden auf, unserem Oberbürgermeister so lange Terror zukommen zu lassen, bis er es nicht mehr wagt, gegen Arier zu sprechen. Kameraden, labert nicht sondern handelt. Ich will Deutschland oder Krieg.“

Dies ist ein Gästebucheintrag auf der Seite der Kameradschaft Gera von Juni 2000! Auf der Internetseite befand sich damals auch ein Steckbrief gegen einen Geraer Kritiker der rechten Szene. Die Kameradschaft Gera war nicht nur ideologisch, sondern strukturell mit dem Thüringer Heimatschutz verbunden. Politik und Rechtsstaat wurden immer wieder auf diese handfest nachweisbare Gewaltbereitschaft aufmerksam gemacht. Der damalige Eintrag liest sich heute wie eine Beschreibung der Realität. Und ich bin erstaunt über das allgemeine Erstaunen. MICHAEL KLEIM, Gera

Der braune Herbst

■ betr.: Rammstein wieder rechts

War es ein Karnevalsgruß oder wurde der braune Herbst ausgerufen? Am 11. November erschien die neue Rammstein-Single „Mein Land“, und es wirkt so, als wäre die Band wieder rechts. Passend zur NSU-Debatte singen sie, untermalt von bierzeltischem Technosound: „Du bist hier in meinem Land / Wohin gehst du, hier ist nichts mehr frei / Das ist mein Land.“ Das sind Stammtischparolen für Rechtspopulisten, das ist Schlachtgesang für Neonazis. Aber es merkt bestimmt keiner. NIKOLAS BÖHM, Berlin

Satire muss es schon sein

■ betr.: „verboten“, taz vom 16. bis 18. 11. 11

Vorgestern schläft sich Frau Wagenknecht hoch. Gestern kriegt Oskar Lafontaine keinen mehr hoch. Heute ein albernes Witzchen über rassistische Morde. Und morgen die ganze Welt? – „Verboten“ gehört verboten. Laut Tucholsky darf Satire zwar alles, aber Satire muss es schon sein. Dieser Altmeister sagte auch (über Ernst Röhm), dass die Sexualität seiner politischen Gegner herzlich egal sei. Da muss der „Verboten“-Verfasser erst noch hin. SASCHA MANTSCHEFF, Windeck

Stromsparen seit 20 Jahren

■ betr.: „Koalition streitet über Effizienz“, taz vom 19./20. 11. 11

Wie sparen Leute jetzt noch jährlich 1,5 Prozent ihres Stromverbrauchs ein, wenn sie schon vor 20 Jahren begonnen haben, mit Strom sparsam umzugehen, wenn der Gerätebestand neuen Energiesparrichtlinien entspricht und Energiesparlampen schon benutzt werden, seitdem es sie käuflich gibt? Und was hat Stromsparen mit Wärmedämmung zu tun?

Durch einmaligen Austausch der Kreislaufpumpe ist eine jährlich Stromeinsparung von 1,5 Prozent kaum erreichbar. Der Vorschlag von Herrn Öttinger taugt nicht.

Nützlich sein könnten Veröffentlichungen von statistisch erfassten Verbräuchen von unterschiedlichen Haushalten (Einzelpersonen, mehrköpfige Familien, berufstätige Ehepaare, Rentner usw.), an denen man sich orientieren kann. ALFRED KOHLUS, Tönning