Kunsthaus Tacheles: Ausverkauf geht weiter
Weitere Künstler verlassen Kunsthaus gegen Abfindung. Anwalt glaubt an schnelle Räumung.
Der Hinterhof des Tacheles leert sich weiter. Nach dem mit Abfindungen erkauften Auszug der Gastro-Fraktion des Kunsthauses Anfang April ließen sich in dieser Woche drei weitere Künstler ihren Weggang bezahlen. Eingefädelt hat den Deal erneut der Charlottenburger Anwalt Michael Schultz.
Am Donnerstag war die Galerie-Hütte von Maler Adnan Kalkanci bereits vergittert, die kleine Bar von Steve geschlossen. Ein weiterer Künstler hatte am Dienstag den Hinterhof verlassen. Anwalt Schultz schwieg sich über die Auslöse aus. Es gebe Gespräche mit "sehr vielen" Tacheles-Künstlern, einige seien durchaus auszugsbereit. Noch im Sommer soll der Hinterhof geräumt sein, so Schultz' Wunsch.
Auftraggeber unbekannt
Auch im Haus wirbt der Anwalt bereits um Auszügler. Nur für "selbsternannte Oberhäuptlinge" wie Tacheles-Vorstand Martin Reiter oder den Chef der Metallwerkstätten, Hüseyin Arda, werde es "keinen Cent geben", so Schultz. Für wen er agiert, lässt er weiter im Dunkeln, spricht nur von einem "interessierten Investor".
Nach der Insolvenz des Tacheles-Eigentümers, der Fundus-Immobiliengruppe, steht das Kunsthaus seit 2007 unter der Zwangsverwaltung der HSH Nordbank. Eine Zwangsversteigerung Anfang April platzte kurzfristig, einen Tag später verließ die Gastro-Gruppe des Tacheles um den Chef der Zapata-Bar, Ludwig Eben, für eine Million Euro das Haus. Das Geld wurde über Anwalt Schultz transferiert. Ein neuer Versteigerungstermin steht bislang aus.
Tacheles-Vorstand Martin Reiter bezeichnet das Vorgehen von Schultz als "organisiertes Verbrechen". Fünfmal habe man dem Anwalt schon Hausverbot erteilt.
Reiter bezweifelt, dass weitere Künstler das Tacheles verlassen werden. Das Kunsthaus plane nun vielmehr die Einrichtung einer Bürgerstiftung. Mit einem Grundkapital von 50.000 Euro soll der Weiterbetrieb des Tacheles gesichert werden.
Zudem will Reiter auf die derzeitige Mietprotestwelle aufspringen. Am 9. Juli soll mit einer Parade von Kreuzberg am Tacheles in der Oranienburger Straße vorbei zum Roten Rathaus gezogen werden: gegen eine "neoliberale Stadtumstrukturierung" im Allgemeinen, für einen "öffentlichen Freiraum" Tacheles im Speziellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was