: Kunst will kein Kult sein
■ Die Museen für Indische und Ostasiatische Kunst in Berlin-Dahlem wollen nicht unter das Dach des ethnologischen Völkerkundemuseums
Im Februar erst stellten die Berliner Museen für Indische und für Ostasiatische Kunst und das Völkerkundemuseum ihre Neubauprojekte vor. Da schienen noch alle drei Direktoren mit der Neuprofilierung des Museumsstandorts Dahlem als Zentrum der außereuropäischen Kulturen zufrieden, lagen die Erweiterungskonzepte für die Zeit nach dem Auszug der Gemäldegalerie doch schon über ein Jahrzehnt in den Schubladen.
Doch nun kriselt es zwischen den außereuropäischen Kulturen, und ein Gerücht, die Museen für Ostasiatische und Indische Kunst sollten in Abteilungen der Völkerkunde umgewandelt werden, sorgt für öffentliche Empörung. Petra Kipphoff in der Zeit sieht in dem Vorhaben eine „Rückgliederung eigenständiger Hochkulturen in einen kolonialen Zusammenhang“, und Willibald Sauerländer fragt in der Süddeutschen Zeitung: „Schickt man sich allen Ernstes an der Spree an, die Chinesen zu kolonialisieren?“
Anlaß für die aufgerührten Ängste, japanischen Rollbildern und indischen Fresken solle der Kunststatus streitig gemacht werden, ist die Aufforderung des Generaldirektors der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Wolf-Dieter Dube, die Direktoren für die Völkerkunde, Ostasien und Indien möchten im November ein gemeinsames Konzept für ihre künftige Präsentation vorlegen.
„Natürlich will ich nicht alles auf einen Haufen schmeißen“, sagt Dube, aber er verlangt ein „integrierendes Konzept, das Kulturvergleiche ermöglicht“. Daß er irgendwelchen Werken damit in imperialistischer Manier absprechen wolle, Kunst zu sein, hält er für Unfug und fragt zurück: „Sind die Werke aus der Südsee und Afrika etwa keine Kunst?“ Da kann er sich des Beifalls der Völkerkundler sicher sein, die ja selbst gerne aus dem Schatten heraustreten würden, in der Vergangenheit den wissenschaftlichen für die kolonialen Eroberungen geliefert zu haben.
Mehr aber als der inhaltliche Diskurs über Methoden der Völkerkunde und der Kunstgeschichte interessiert Dube eine Strukturreform und Verschlankung der Verwaltung. Über Kooperationen hofft er, Stellenkürzungen, die der Stiftung verordnet sind, auf die Bereiche Verwaltung, Depot, Aufsicht und Sekretariat beschränken zu können und das wissenschaftliche Personal zu erhalten.
Doch wo von einem „geschäftsführenden Direktor“ die Rede ist, bangen die Häuser sofort um ihre Autonomie. Zur Zeit traut man dem Schaffensdrang des Generaldirektors der Stiftung Preußischer Kulturbesitz alles zu. Der Posten des Stiftungspräsidenten ist noch immer unbesetzt, und man wirft Dube vor, eigenmächtig über die Köpfe der Beteiligten hinweg Entscheidungen zu treffen. Dube sieht seinen Vorstoß als einen Strukturvorschlag und versichert: „Beschlüsse können erst wieder mit einem neuen Präsidenten gefaßt werden.“
Zum Sprachrohr der Befürchtungen, daß das Museum für Ostasiatische Kunst seine Eigenständigkeit verlieren könnte, hat sich die Deutsche Gesellschaft für Ostasiatische Kunst e. V. gemacht, die das Museum seit 1926 fördert. Unter der Überschrift „Zurück ins 19. Jahrhundert!“ wertet sie in ihren Mitteilungen das Anliegen der Strukturreform als Versuch, „die weitsichtige Entscheidung, der Ebenbürtigkeit der ostasiatischen und abendländischen Kunst durch die Gründung eines selbständigen Museums im Jahre 1906 Rechnung zu tragen, rückgängig zu machen“. Rainer Goedl, der Vorsitzende der Gesellschaft, vergleicht den Plan mit der „abwegigen Idee, die Gemäldegalerie oder das Kupferstichkabinett in Abteilungen des Museums für Europäische Volkskunde umzuwandeln“. Seine nachdrückliche Forderung, die Selbständigkeit des Museums zu erhalten, unterstreicht er mit der Furcht, daß „potentielle Stifter ostasiatischer Kunst“ Berlin demnächst nicht mehr in Betracht ziehen würden.
Positiv gegenüber einem Ansatz der Integration ist bisher nur das Museum für Völkerkunde eingestellt. Denn Die Völkerkundler möchten gerne von dem negaviten Image weg, sich nur mit dem materiellen Inventar von „primitiven“ Kulturen zu befassen, denen man keine Geschichte und keine Entwicklung zur Hochkultur zuschreibt. Deshalb wollen sie ihre historischen Abteilungen demnächst um zeitgenössische Kunst erweitern. Das Projekt „Kulturvergleich“, das thematische Konstanten wie den Umgang mit dem Tod, die Stellung des Individuums oder die Bedeutung der Religion in verschiedenen Epochen und Gesellschaften verfolgt, begreifen sie als neuen Ansatz. Doch vorläufig sind die Herangehensweisen der drei Dahlemer Museen sehr unterschiedlich. Die Völkerkundler setzen auf Didaktik, die Vermittlung des Kontextes und eine sozialgeschichtliche Verortung ihres Materials. Für die Kunsthistoriker Ostasiens und Indiens beginnt die Forschung dagegen mit Stilkritik und ästhetischen Kategorien. Kunst oder Kult, Aura oder Didaktik: Das stand in Dahlem bisher unvermittelt nebeneinander.
So ist die Aufregung jetzt auch das Ergebnis einer lange nicht in Frage gestellten Spezialisierung und eines vermiedenen Methodenstreits. Während die Kunst der Gegenwart gerade durch das Spiel mit historischen und soziologischen Kategorien versucht, zu neuen Funktionen zu finden, sind in der musealen Struktur die Diziplinen streng getrennt.
Ein Dialog über die unterschiedliche Befragung der Objekte könnte den Dahlemer Museen nicht schaden. Ob er sich auf dem Weg einer von oben verordneten Verwaltungsreform initiieren läßt, die als Ultima ratio mit Sparzwängen argumentiert, ist allerdings fraglich. Katrin Bettina Müller
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