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Kunst des Klopfens

1996 gab es so einen Moment, nachts im seeligen Marquee. Da hatte man sich trotz Hamburger Schmuddelwetters noch mal in Richtung Kiez aufgerafft, um das synthetische Songwritertum des kanadischen Plastik-Poppers Spookey Ruben zu bewundern und was passierte: erstmal nichts – und dann ganz viel. Selbst die reichliche Wartezeit konnte nicht verhindern, dass 15 Unentwegte dem Laden die Treue hielten. Immerhin. Aber in diesem Fall lohnte sich das Durchhaltevermögen. Denn plötzlich standen da unangekündigt ein paar Musiker auf der kleinen Bühne: Spookey Rubens Landsmänner King Cobb Steelie. „Auch das noch, Vorbands sind doch Scheiße“, war der erste Kommentar. Willkommen in Hamburg. Irgendwie müssen King Cobb Steelie das verstanden haben. Sie zauberten über eine Stunde lang atemberaubende Rhythmen. Handgemacht und elektronisch gleichermaßen, die hohe Kunst des Klopfens.

Was damals galt, klingt auf dem aktuellen Album Mayday immer noch richtig: Es lebe die Trommel. Und die Percussion. Und der Bass. Man kann zu den neuen Songs tanzen oder in Momente der Glückseligkeit versinken und an Bands wie My Bloody Valentine oder Happy Mondays denken. Doch die Kanadier verlassen sich nicht mehr nur darauf, mit bezaubernden Grooves schwungtechnisch Wirkung zu erzielen, sondern fesseln genauso mit einprägsamen Gitarren, Geräuschen und atmosphärischen Schwingungen. Sie beherrschen mittlerweile das komplette Programm, das die klassische Melodieführung des Pop und das experimentelle Knöpfchendrehen à la Tortoise harmonisch miteinander flirten lässt. Da verschwimmen Songstruktur, Rhythmus und Effekt konsequent zu einem unwiderstehlichen Flow. Ineinander, aneinander, miteinander – was spielt das noch für eine Rolle? Bei King Cobb Steelie jedenfalls keine. Alle Konzentration gilt dem eigenen Schaffensprozess. Die Kompositionen dienen ihnen als Soundlabor, in dem sie mit den unterschiedlichen Mitteln von Dub, HipHop, Funk, Wave und Indie Reaktionen hervorrufen.

Damals im Marquee ungläubiges Staunen darüber, doch noch so mitgerissen werden zu können, heute die Freude über eine zwingende und abwechslungsreiche Produktion. (Übrigens: Spookey Ruben spielte seinerzeit dann auch noch toll auf. Andy Partridge, Brian Wilson und die Ween-Brüder wären blass geworden.) Ein Abend wie ein Rausch war das damals. Und was passiert heute Abend? Thorsten Bathe

heute, 21Uhr, Hafenklang

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