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Kung Fu vorm Keith-Haring-Plakat

Martialischer Hickhack im Hafengebiet: Der polnische Kameramann Andrzej Bartkowiak lässt in seinem Regiedebüt „Romeo must die“ Farbige und Chinesen miteinander fighten und flirten. Die Weißen haben da gar nichts zu melden

O. K., es gibt eine ganze Reihe wirklich schöner Fights, und Jet Li ist einfach Klasse. Wie sein übermächtiger Vorgänger Bruce Lee wechselte der kulleräugige Kämpfer, der in Honkong durch die Shao-Lin-Kung-Fu-Filme zum Superstar wurde, vor kurzem nach Los Angeles, um Hollywood einen fernöstlichen Adrenalinstoß zu verabreichen. Erst war er der Böse in „Lethal Weapon 4“ und jetzt also der Gute in „Romeo must die“, diesem ost-westlichen Diwan wechselseitiger Kulturschocks im beginnenden 21. Jahrhundert.

Im Hafengebiet von San Francisco brodelt es: Zwar haben Farbige und Chinesen längst ihre Claims abgesteckt, nach dem Tod des asiatischen Mafia-Kronprinzen Po aber droht wieder offener Krieg. Der schwarze Pate Isaak O’Day (Delroy Lindo) versucht sich in Schadensbegrenzung, doch kann er die Gewalt kaum mehr eindämmen. Als sich auch noch Han (Jet Li), Pos rachedurstiger Bruder, von Hongkong auf den Weg macht, ist das Chaos vorprogrammiert. Ausgesprochen nachteilig wirkt sich allerdings bei den Kämpfen für die Schwarzen aus, dass sie über keine genuine Kampfsportart verfügen. Ein kleines Intermezzo im Football-Bereich kann die Unterlegenheit gegenüber dem beinharten Kung Fu kaum aufwiegen.

Und Shakespeare? Han verliebt sich ausgerechnet in Trish (Aaliyah), die Tochter des schwarzen Paten – womit wir schon so etwas wie eine Romeo-und-Julia-Konstellation hätten. Zwar gibt es eine Art Balkonszene, ansonsten verzichtet die Inszenierung auf Bezüge zum historischen Stoff. Durch das turtelnde Multikulti-Pärchen kann nach zahllosen Kampfeinlagen, Explosionen, Crashs und Toten der gelb-schwarze Hickhack überwunden werden.

Wirklich aufregend ist „Romeo must die“ nicht. Dass während einiger Kung-Fu-Duelle plötzlich die berstenden Knochen des unterlegenen Gegners in Röntgenaufnahmen gezeigt werden, erscheint neu, soll es in den Siebzigerjahren aber auch schon mal gegeben haben. Anders als in den asiatischen Originalen wird die Aufhebung der Schwerkraft nicht mehr durch Schnitte und unsichtbare Drahtseile erzeugt, sondern durch Computertechnik (weitaus weniger charmant).

Interessant ist das Ganze nur durch seine Milieuzeichnung. Über große Strecken agieren nämlich ausschließlich Farbige und Asiaten. Weiße werden lediglich auf Dienstbotenebene geduldet. Überhaupt tritt weiße Kultur nur in Form deutscher Limousinen in Erscheinung oder hin und wieder als Dekoration (mal ein Keith-Haring-Plakat an der Wand, mal eine Doors-Platte im Schrank). Nur der Bösewicht im Hintergrund, der die Clans aus Spekulationsgründen gegeneinander aufgehetzt hat, offenbart sich als Yankee und skrupelloser Super-Kapitalist. Die im Blick auf ethnische Zielgruppen erfolgte personelle Gewichtung war am box office erfolgreich (bisher spielte der Film allein in den USA mehr 50 Millionen Dollar ein). Man nehme aus diversen Sparten bekannte Stars (neben Jet Li posieren Sängerin Aaliyah und Rapper DMX) und beauftrage den 1972 aus Polen nach Nordamerika übergesiedelten Kameramann Andrzej Bartkowiak (u. a. „Speed“ und „Species“) mit der Inszenierung – viel schief gehen kann da eigentlich nicht mehr. Im Hintergrund steht wie im Film selbst ein hartgesottener Yankee. Produzent Joe Silver steuerte nicht nur jede Menge Erfahrung bei, aus seinem letzten Kassenschlager „Matrix“ waren offenbar auch noch ein paar coole Sonnenbrillen übrig.

CLAUS LÖSER

„Romeo must die“. Regie: Andrzej Bartkowiak. Mit: Jet Li, Aaliyah, Delroy Lindo, DMX u. a., USA 2000, 115 Min.

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